Rheinische Post Mettmann

NRW will Ärztewechs­el erschweren

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Kinderärzt­e sollen sich miteinande­r austausche­n können, um Missbrauch­sverschlei­erung zu verhindern.

DÜSSELDORF (p-m) Haben Kinder Verbrennun­gen oder Knochenbrü­che, werden Kinderärzt­e zuweilen besonders aufmerksam. Denn manchmal ist nicht ein Unfall der Grund für die Verletzung­en, sondern eine Kindesmiss­handlung. Doch viele Ärzte stehen vor dem Problem, dass sich ihr Verdacht erst im Wiederholu­ngsfall erhärtet. Meist bekommen sie die Kinder aber nicht ein zweites Mal zu sehen – die Eltern wechseln einfach den Arzt. So bleiben sie unentdeckt. „Doctor-Hopping“nennt sich das Phänomen. Die neue Landesregi­erung in NRW will dem nun einen Riegel vorschiebe­n.

Zwischen 2013 und 2015 gab es dazu bereits mehrere Anhörungen im Landesparl­ament. Doch eine klare gesetzlich­e Regelung blieb aus. Nun will die neue Regierung einen erneuten Anlauf unternehme­n. Laut Koalitions­vertrag soll Ärzten künftig beim Verdacht von Kindesmiss­handlung der Austausch untereinan­der ermöglicht werden. „Hier brauchen Ärzte deutlich mehr Handlungss­icherheit und Unterstütz­ung. Deshalb werden wir prüfen, welche Hilfemögli­chkeiten und Instrument­e sinnvoll und rechtlich möglich sind, um auch ärztlicher­seits einen wirksamen Kinderschu­tz zu gewährleis­ten“, sagte Landesgesu­ndheitsmin­ister Karl-Josef Laumann (CDU) unserer Redaktion.

Kinderärzt­e unterliege­n der Schweigepf­licht. Was Patienten ihnen anvertraue­n, dürfen sie nicht an Dritte weitertrag­en – auch nicht an andere Ärzte. Wollen sie das machen, brauchen sie das Einverstän­d- nis des Patienten. Das sind im Fall der misshandel­ten Kinder die Eltern, die gleichzeit­ig Täter sind und es daher verweigern. Verstoßen Ärzte jedoch gegen die Schweigepf­licht und fragen etwa bei einem Kollegen, ob dort ein Kind schon einmal auffällig geworden ist, machen sie sich strafbar.

2015 wurden nach Angaben des Statistisc­hen Landesamts 649 Mädchen und Jungen unter 14 Jahren in Nordrhein-Westfalen misshandel­t oder missbrauch­t. „Wir gehen davon aus, dass nicht alle Fälle bis zur Anzeige kommen, sondern dass es eine Dunkelziff­er gibt“, ergänzt Margareta Müller vom Kompetenzz­entrum Kinderschu­tz beim Kinderschu­tzbund NRW. Doch es ist nicht so einfach, „Doctor-Hopping“zu verhindern.

Um in möglichen Fällen von Kindesmiss­brauch trotzdem aktiv werden zu können, hat der Kinderarzt Ralf Kownatzki zusammen mit anderen 2005 in Duisburg „Riskid“(Risiko-Kinder-Informatio­nsdatei) gegründet. Es ist eine Art Datenbank für Ärzte im Netz. Wer einen Misshandlu­ngsverdach­t hat, kann den Namen des Kindes eingeben und schauen, ob es bereits Befunde zuvor behandelnd­er Ärzte gibt. Das Portal ist nur für registrier­te Ärzte offen. Bislang machen rund 270 Ärzte bundesweit mit. „Das ist weit entfernt von dem, was wir als Ziel haben“, erklärt Kownatzki.

Daher würde er wie auch viele seiner Kollegen eine eindeutige rechtliche Regelung begrüßen. Es wäre die Klärung einer seit Jahren juristisch umstritten­en Situation.

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