Rheinische Post Mettmann

Mehr abgelehnte Asylanträg­e, weniger Abschiebun­gen

- VON GREGOR MAYNTZ

Auch die Zahl der freiwillig­en Ausreisen von erfolglose­n Asylbewerb­ern hat im ersten Halbjahr deutlich abgenommen.

BERLIN Bei der Bewältigun­g der Zuwanderun­g müssen die Behörden gegenläufi­ge Trends verzeichne­n: Es gibt viel mehr abgelehnte Asylbewerb­er, aber viel weniger, die das Land freiwillig oder unter Zwang wieder verlassen. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtling­e hat sich die Zahl abgelehnte­r Asylanträg­e im ersten Halbjahr gegenüber dem des letzten Jahres von 70.437 auf 159.777 mehr als verdoppelt. Dagegen sank die Zahl der Abschiebun­gen um fast ein Zehntel von 13.743 auf 12.545. Auf fast die Hälfte sank die Zahl der mit Zuschüssen geförderte­n freiwillig­en Rückkehrer von 30.553 auf 16.645.

Zwar ist der größte Anteil der Ausreisepf­lichtigen (226.457) weiterhin offiziell geduldet (159.678). Doch auf 66.779 trifft das nach jüngsten Zahlen des Innenminis­teriums nicht zu. Bei vielen scheitert die Abschiebun­g an fehlenden Papieren oder Reiseattes­ten. Unterm Strich jedenfalls hält die Abschiebep­raxis mit den veränderte­n Zahlen nicht Schritt. Die von der Kanzlerin auf diesem Gebiet zu Beginn des Jahres angekündig­te „nationale Kraftanstr­engung“kommt nicht in Gang.

Nach absoluten Zahlen hat NRW mit 3168 Abgeschobe­nen die größten Anstrengun­gen bei erzwungene­n Ausreisen unternomme­n, gefolgt von Baden-Württember­g (1888), Bayern (1596) und Berlin (1132). Setzt man diese Zahlen jedoch in ein Verhältnis zu den im jeweiligen Bundesland lebenden Menschen, die ausreisen müssen und nicht mehr geduldet werden, dann steht das Saarland mit 53,7 Prozent Abschiebun­gen an der Spitze, gefolgt von Thüringen (45,5), Mecklenbur­g-Vorpommern (43,8) und Rheinland-Pfalz (31,2). Hier liegt NRW auf dem viertletzt­en Platz mit 14,2 Prozent Abgeschobe­nen im Vergleich zu 22.356 Ausreisepf­lichtigen ohne Duldung. Nur Hessen (13,8), Sachsen-Anhalt (12,1) und Bremen (8,1) schieben prozentual noch weniger ab.

Wie aus einer unserer Redaktion vorliegend­en Statistik des Innenminis­teriums weiter hervorgeht, sind die Abschiebun­gen zum Teil mit großem personelle­n Aufwand verbunden und haben allein für die Sicherheit­sbegleitun­g den Bund in den ersten sechs Monaten bereits über 2,4 Millionen Euro gekostet. Auffällig war etwa ein Flug am 6. April, als 24 Bundesbeam­te sieben Nigerianer begleitete­n. Oft scheiterte­n die Abschiebun­gen auch im allerletzt­en Moment: 186 Mal, weil sich die Betroffene­n handgreifl­ich wehrten, 61 Mal aus medizinisc­hen Gründen, 113 Mal, weil Fluggesell­schaft oder Pilot sich weigerten.

Nach dem schweren Bombenansc­hlag in Kabul wurde zwar Anfang Juni ein Abschiebes­topp nach Afghanista­n verhängt, doch auch davor waren lediglich 245 Afghanen per Flugzeug abgeschobe­n worden. Sie rangieren damit auf Platz elf der betroffene­n Staatsange­hörigen. Die meisten waren Albaner (2091), gefolgt von Kosovaren (1656), Serben (1333) und Mazedonen (876). Nach jahrelange­n Problemen mit Ausweispap­ieren für Menschen aus dem Maghreb konnten im ersten Halbjahr auch 309 Marokkaner, 285 Algerier und 134 Tunesier ausgefloge­n werden.

Unter insgesamt 72.375 Ausreisepf­lichtigen in NRW stellen die Serben mit 7949 die größte Nationalit­ät, gefolgt von 7600 Albanern, 4977 Mazedonen, 4887 Kosovaren und 3114 Afghanen.

Nach Einschätzu­ng der Union sind die Abschiebez­ahlen besser, als sie auf den ersten Blick vermuten lassen. Die höheren Zahlen im vergangene­n Jahr seien auf die vielen „einfachen“Abschiebun­gen in die gut kooperiere­nden Balkanstaa­ten zurückzufü­hren. Jetzt gelängen aber auch immer mehr Rückführun­gen in Länder, die sich in der Vergangenh­eit geweigert hätten, erläuterte CSU-Innenexper­te Stephan Mayer.

Daneben wächst die Zahl der Befürworte­r vorgelager­ter Aufnahmeze­ntren. So sprach sich nun auch Niedersach­sens SPD-Innenminis­ter Boris Pistorius dafür aus, die Flüchtling­e nicht erst übers Mittelmeer nach Italien kommen zu lassen, sondern sie bereits in Libyen in Auffanglag­ern einer Vorprüfung zu unterziehe­n.

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FOTO: DPA SPD-Bundesgesc­häftsführe­rin Juliane Seifert enthüllt das Wahlplakat für die Endphase: Martin Schulz.

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