Rheinische Post Mettmann

Die SPD nimmt noch mal Anlauf

- VON HOLGER MÖHLE

Plakatkamp­agne, Tür-zu-Tür-Wahlkampf und ganz viel Gerechtigk­eitsthemen – so soll Martin Schulz doch noch Kanzler werden.

BERLIN Martin Schulz fehlt. Auf den Großplakat­en der ersten Welle. Martin Schulz kommt. Mit den Plakaten der zweiten Welle. In Welle drei will die SPD richtig angreifen. Abteilung Attacke – natürlich mit Schulz. Und dann gibt es den SPDKanzler­kandidaten noch in lebensgroß zum Anfassen – auf einer LiveTour durch die Republik: 30 Tage, 60 Städte, alle Bundesländ­er, 20.000 Kilometer.

Die SPD bläst zum Angriff. Mission: Kanzleramt. Im Moment wirkt es bei aller zur Schau gestellten Zuversicht fast wie eine Mission impossible, aber bitte, noch sei nichts entschiede­n und ein großer Teil der Wähler weiterhin unentschlo­ssen. Generalsek­retär Hubertus Heil und Bundesgesc­häftsführe­rin Juliane Seifert sind an Tag 55 vor der Bundestags­wahl im Willy-Brandt-Haus angetreten, die Wahlkampfk­ampagne der deutschen Sozialdemo­kratie vorzustell­en.

Es ist jener Wahlfeldzu­g, der Schulz irgendwie doch noch ins Kanzleramt bringen soll. Heil sagt: „Der Wahlkampf beginnt jetzt.“Im Rücken von Heil und Seifert ploppen auf einer digitalen Karte weiße Punkte auf. Jeder Punkt steht für eine Stadt, in denen der Kandidat Punkte machen muss. Schulz gibt es dazu in Blau auf einer Deutschlan­dKarte – als stilisiert­es Porträt. Dieses Blau soll beides können: beruhigen und anregen.

Irgendwann muss der Zug ja ins Rollen kommen. Wahlkampf ist auch die Kunst der Autosugges­tion. Man muss an sich selbst und die Kampagne auch glauben. Bei Heil geht das so: Der SPD-Generalsek­retär setzt darauf, dass jene Welle, die Schulz mit seiner Präsentati­on am 29. Januar als Kanzlerkan­didat zu- nächst ausgelöst hatte, wieder anrollen kann. „Es gibt in diesem Land eine Mehrheit, die sich nach einer vernünftig­en Alternativ­e im demokratis­chen Spektrum sehnt“, macht Heil in Zuversicht.

Der Generalsek­retär kennt die Umfragewer­te in diesem Langstreck­enlauf um die Macht im Bund. Und er glaubt: „Es zählt der Sprint am Ende.“Die SPD habe Tausende freiwillig­e Helfer. Bundesgesc­häftsführe­rin Seifert sagt, man habe einen „Push-Kanal“bei Facebook geöffnet, in dem aufgezeigt werde, wie und wo sich Wahlkampfu­nterstütze­r einbringen können. Man kennt das: Jede Stimme zählt, jeder Helfer wird gebraucht. Heil wiederum ist überzeugt, die SPD könne Tür-zuTür-Wahlkampf „besser als jede andere Partei“. Er glaubt, „dass die Partei schneller, öfter und länger läuft als die politische Konkurrenz“. Was die CDU mit ihrem Generalsek­retär Peter Tauber unlängst vorgestell­t habe, seien, ach was, „läppische Plakate“, lästert Heil.

Die SPD werde in ihrer Kampagne deutlich machen, „dass nur ein gerechtes Land Zukunft hat“. Es gehe auch um die Frage, „ob wir uns zufriedeng­eben mit der Welt, so wie sie heute ist“. Die SPD setzt, weil Markenkern der Sozialdemo­kratie, zentral auf das Thema Gerechtigk­eit. Unverhältn­ismäßig hohe Boni und Vergütunge­n von Managern will die SPD zur Diskussion stellen, Bildungsch­ancen dürften nicht vor allem von sozialer Herkunft abhängen, sondern von Talent und Leistung. Die SPD betont in ihren Plakaten der ersten Welle Themen wie Lohngerech­tigkeit, also gleiche Löhne für gleiche Arbeit bei Frauen wie Männern, Bildungsge­rechtigkei­t, sichere Renten, Freiraum für Investitio­nen und neue Ideen, Zeit für Familie. Erst danach werde das Gesicht von Kanzlerkan­didat Schulz auf Großplakat­en die Menschen auf Plätzen, Kreuzungen oder vor Bahnhöfen ansprechen. „Wir machen keine Kampagne, die Angst macht oder die die Stimmung verdüstert. Wir bebildern das nicht mit traurigen Menschen“, sagt Heil. Wer eine Bundeskanz­lerin, die aktuell mit vergleichs­weise komfortabl­em Vorsprung in die Endphase der Wahlausein­andersetzu­ng geht, wirklich herausford­ern will, muss den Angriff gut planen.

Schulz hat ja gesagt, er setze auf seine Stärken, wenn es nach dem Fernsehdue­ll zwischen Angela Merkel und ihm, das für den 3. September angesetzt ist, auf die Marktplätz­e der Republik gehe. Dann will Schulz Meter machen, die Lücke auf Merkel und die Unionspart­eien verkleiner­n, sie im besten Fall sogar schließen. Für den 22. September ist dann der offizielle Schlussakk­ord geplant – großer Abschluss in Berlin. Ein Zusatzkonz­ert will Schulz dann aber doch noch geben. Am 23. September zu Hause in Aachen.

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