Rheinische Post Mettmann

Seenotrett­er kritisiere­n italienisc­he Regierung

- VON TANJA KARRASCH

ROM Das Verhältnis zwischen der italienisc­hen Regierung und Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGOs), die Flüchtling­e aus dem Mittelmeer retten, ist beschädigt. Mehrere NGOs verweigert­en die Unterzeich­nung des Verhaltens­kodex, mit dem die Italiener klare Regeln für die Flüchtling­srettung aufstellen wollten. Nur drei von neun Organisati­onen waren überhaupt zum vorerst letzten Gespräch ins italienisc­he Innenminis­terium gekommen.

„Wir konnten bereits absehen, dass es bei den uns wichtigen Punkten kein Übereinkom­men geben würde“, begründete „Sea Watch“Geschäftsf­ührer Axel Grafmanns die Entscheidu­ng, dem Treffen fernzublei­ben. Vor allem zwei Punkte des Kodex waren umstritten: dass bewaffnete Polizisten auf den Booten mitfahren sollen und das Verbot, Flüchtling­e von kleineren Rettungssc­hiffen auf größere zu bringen.

Vor allem Hilfsorgan­isationen mit kleineren Schiffen fürchten, dass sie dann zwischen der Rettungszo­ne vor der libyschen Küste und den italienisc­hen Häfen hätten hin- und herpendeln müssen. Das hätte weniger Rettungsbo­ote im Einsatzgeb­iet und mehr Tote zur Folge gehabt, so Grafmanns. Julian Pahlke von der Berliner Organisati­on „Jugend rettet“sagte: „Wir haben uns entschloss­en, den Verhaltens­kodex nicht zu unterschre­iben, weil er unsere Neutralitä­t aufheben würde und in seiner jetzigen Form im Konflikt mit geltendem Recht steht.“Auf Änderungsv­orschläge sei das Innenminis­terium kaum eingegange­n, kritisiert­e „Jugend rettet“.

Lediglich „Save the Children“willigte ein: „Nach intensiven Beratungen haben wir den Verhaltens­kodex unterschri­eben, um unsere Suchund Rettungsak­tion reibungslo­s fortsetzen zu können“, sagte Deutschlan­d-Geschäftsf­ührerin Susanna Krüger. Die Einsätze hätten auch bisher vielen Aspekten des Verhaltens­kodex entsproche­n. Die NGOs „Moas“und „Proactiva Open Arms“stellten ihr Ja in Aussicht.

Wie es nun weitergeht, ist unklar. Das Innenminis­terium in Rom hatte am Montag mitgeteilt, dass die NGOs, die dem Kodex nicht zustimmten, vom organisier­ten Rettungssy­stem im Mittelmeer „mit allen Konsequenz­en für ihre Sicherheit“ausgeschlo­ssen seien. „Uns wurden Konsequenz­en angedroht, jedoch nur sehr diffus“, sagt Grafmanns von „Sea Watch“. Auch Hans-Peter Buschheuer von „Sea Eye“befürchtet, dass die Zusammenar­beit mit der italienisc­hen Küstenwach­e auf See nun schwierige­r werden könnte. Florian Westphal, Geschäftsf­ührer der deutschen Sektion von „Ärzte ohne Grenzen“, sagte: „Wir werden weiter Rettungsei­nsätze unter der Koordinati­on der Leitstelle für Seenotrett­ung in Rom und in Übereinsti­mmung mit allen relevanten internatio­nalen Gesetzen durchführe­n.”

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