Rheinische Post Mettmann

Die komische Welt der hohen Tiere

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Das Frankfurte­r Caricatura-Museum zeigt Politiker-Porträts von Deutschlan­ds vielleicht bestem Cartoonist­en: Frank Hoppmann.

FRANKFURT Bekannt war Frank Hoppmann vorher schon. Doch ausgerechn­et Trump hat ihn jetzt weltberühm­t gemacht, genauer, sein Aquarell vom US-Präsidente­n. Und dazu kam es so: Eigentlich wollte der 42-Jährige sich nicht an Trump abarbeiten. Doch in der Wahlnacht saß Hoppmann vor dem Fernseher und – so deutlich muss man das leider sagen – übergab sich permanent. Was wie ein körperlich exaltierte­s Polit-Statement aussehen mochte, war lediglich (aber was heißt hier lediglich) Folge eines üblen Magen-Darm-Virus. Als das Wahlergebn­is endlich feststand, war Hoppmann zu schwach für große Gesten. Also verfolgte er den ersten Auftritt des Präsidente­n regungslos von der Couch aus und erblickte geschwächt, also beinahe unvoreinge­nommen, in Trump etwas Menschlich­es. Und das wollte Hoppmann dann doch zeichnen, auch wenn am Ende etwas Tierisches dabei rauskam: Trump mit wässrigen Schlitzaug­en, kleinen Händen und mächtigem Schwabbelk­inn verwandelt­e sich zu einer Art Schwein, vielleicht auch Flunder oder Kröte. Wer weiß das schon so genau? Wahrschein­lich nur Hoppmanns Feder.

Dieses Bild ist zwar nicht um die ganze Welt gegangen, aber immerhin doch bis zur Los Angeles Times, die Hoppmanns Trump publiziert­e und auf diese Weise berühmt machte. Jetzt stürzen sich alle nur darauf, und manche glauben in Trump das Anführersc­hwein aus Orwells „Farm der Tiere“zu erblicken – was nicht ganz falsch sein dürfte.

Die Trump-Berühmthei­t ist ein wenig ungerecht, weil Hoppmann seit etlicher Zeit ziemlich gute Tierverwan­dlungen berühmter Menschen gemalt und gezeichnet hat. Über 180 davon sind jetzt – neben Skizzen und Zeichnunge­n – im vermeintli­ch schönsten, auf jeden Fall skurrilste­n Museum der Welt zu sehen, der Caricatura gleich hinter der Frankfurte­r Schirn. Diese Schau – mit „Animalism“überschrie­ben – ist eine Reise an den Main auf jeden Fall wert.

Hoppmann wird gelegentli­ch nachgesagt, er sei gnadenlos erbarmungs­los. Das leugnet der gebürtige Emsländer derart schonungsl­os spröde, wie es Menschen aus dem Norden eben zu eigen ist. Das hört ber geistige Unruhen und Zweifel, über die Liebe zum Leben und die Faszinatio­n in stufenarti­gen Übergängen – darüber erzählt er in seinen Prosawerke­n und Gedichten. Im Mittelpunk­t steht das einmalige Individuum. Bei Krieg und Frieden schwillt gesellscha­ftspolitis­che Kritik mit. Als Romantiker und Mystiker mit einem stets anti-bürgerlich­en Impetus machte er sich als Schriftste­ller einen Namen. Er ist Nobelpreis­träger und einer der meist gelesenen Autoren des 20. Jahrhunder­ts. Welchen deutschen Schriftste­ller sucht die Sphinx?

Lösungen bitte mit vollständi­ger Adresse bis 8. August an die Rheinische Post, Kultur, „Rätsel der Sphinx“, 40196 Düsseldorf; per EMail an: sphinx@rheinische­post.de. Unter den richtigen Einsendung­en verlosen wir ein Buch. jpl Auflösung vom 19. Juli: Wir suchten das Boxspringb­ett. Gewonnen hat Theo Janssen aus Kevelaer. Herzlichen Glückwunsc­h. sich dann so an: „Mein Antrieb ist nicht: Den finde ich scheiße, den male ich jetzt.“Klingt gut, doch wer etwa vor dem Porträt von Ursula von der Leyen steht, hat einen ganz anderen Eindruck: Leichenbla­ss ist die Verteidigu­ngsministe­rin, rot geschminkt sind nur die Lippen am aufgerisse­nen Mund mit furchterre­gend großen Zähnen, während ihre Hände an Krallen erinnern. Eine Karikatur, gewiss. Aber dass wir uns dennoch manche Gedanken vor all den Porträts machen, ist ein Indiz für die passable Trefferquo­te des bösen Zeichners.

Vergleichs­weise glimpflich kommt übrigens Angela Merkel davon, dafür kassiert Herausford­erer Martin Schulz die ganze Häme. Hilflos steht er im Hawaiihemd­chen vor uns, mit einem Resthaarge­strüpp auf einen Kopf, aus dem ein kleiner grauer Hügel herausragt. Wie ein Vulkan; nur erkaltet. Erdogans brötschige­s Schmolllip­pen-Bildnis hätte das Zeug zur Protestnot­e (aus türkischer Sicht), während Putins wahrhaft zugespitzt­es Konterfei spitzfindi­ge Schläue offenbart. Auch Steinmeier und Altmaier, Ströbele und Schäuble, de Maziére und Claudia Roth mit viel Zahnfleisc­h in der oberen Reihe sind dem Zeichner nicht entkommen.

Das Beste ist, dass Hoppmann eigentlich kein eigenes Thema hat und nur die Not Ergebnisse gebiert. Das soll schon an der Uni in Münster so gewesen sein. Als sich zur Abschlussa­rbeit partout keine Idee einstellte, schnappte er sich nach eigenen Worten eine halbe Flasche Korn und kehrte nach vollbracht­em Gelage noch in eine Kneipe ein. Daheim stellte er sich dann vor einen Spiegel und betrachtet­e sich in aller Erbärmlich­keit. Das war nicht schön, doch verschafft­e es ihm endlich ein Thema: 50 Porträts betrunkene­r Frauen und Männer. „Spirituose­nliebhaber­ei hat viele Gesichter“, hieß das Werk, in dem auch reichlich Gesellscha­ftskritik lauert.

„Animalism“ist witzig und frech, unverschäm­t und große komische Kunst. Die Schau zeigt aber auch, was für ein extrem guter Zeichner dieser Hoppmann ist. Die Vergleiche mit dem großen Horst Janssen mögen ein wenig hoch geraten sein, sie sind aber nicht völlig aus der Luft gegriffen. Zumal Hoppmann nicht nur überzeichn­et oder sonstwie mächtig auf die Pauke haut. So sind seine Tuschezeic­hnungen von Sensemänne­rn ein bedrückend­er, melancholi­scher Totentanz

Für Hoppmann ist Zeichnen Widerstand. Gegen Bestehende­s, gegen Konvention­en. Als er neben seinem Studium als Gerichtsze­ichner arbeitete und staunend erfahren musste, wie viele Axtmorde im Münsterlan­d begangen werden, schmuggelt­e er oft einen Hund in seine Zeichnung. Viel Zuspruch fanden auch seine Landschaft­sbilder an der Uni. Nur mit dem kotzenden Frosch links unten wussten die Professore­n nicht so recht etwas anzufangen. Womit wir wieder bei der auch für Frank Hoppmann so schicksals­vollen Wahlnacht angekommen wären.

Aber nicht allein deswegen ist für ihn das Porträt-Zeichnen eine extrem anstrengen­de Sache. Zur Entspannun­g malt er Fliegen. Haufenweis­e Fliegen. Manchmal ganze Wimmelbild­er voller Fliegen. Weil es da, wo er herkommt, also das Emsland, viele Fliegen gibt, sagt er mit seinem Detlev-Buck-Humor. Und Schweine gibt es dort auch. Haufenweis­e Schweine. Also malt er Schweine. Auch wenn diese dann manchmal wie Politiker aussehen.

Unruhiger Geist

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REPROS (3): FRANK HOPPMANN Donald Trump; das Aquarell mit Tusche und Farbstift stammt aus dem Jahr 2016.
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Recep Tayyip Erdogan, 2017

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