Rheinische Post Mettmann

Gerhahers grandioser Liederaben­d

- VON WOLFRAM GOERTZ

Der Münchner Bariton widmet sich in Salzburg Robert Schumann.

SALZBURG In Liederaben­den führt das Unglück der Helden regelmäßig zur Erbauung des Publikums. Der eine verliert seine Liebste. Der andere fällt in tiefe Einsamkeit. Der dritte trägt des Daseins schwere Last. Robert Schumann hat diese schwarzen Zonen der Lyrik sein ganzes Leben über regelmäßig aufgesucht – und wer sich kummerbere­it überzeugen will, dass in manchen Konzerten die Traurigkei­t tatsächlic­h nimmer aufhört, der geht nun zum Salzburger Liederaben­d von Christian Gerhaher, dem wohl bedeutends­ten Bariton der Gegenwart.

38 Lieder inklusive Zugaben – das ist eine weite Welt, die Gerhaher mit seinem fabelhafte­n Begleiter Gerold Huber durchmisst. Damit das nicht langweilig oder gar depressiv gerät, braucht ein Sänger viele Farben, und er braucht Überzeugun­gskraft, damit das lyrische Ich zu einer plastische­n Gestalt gerät. Gerhaher ge- lingt es erneut einzigarti­g, Räume der Imaginatio­n zu öffnen, in denen etwa der Narr sein Schlusslie­d singen kann, der Jüngling das Himmelslic­ht erlöschen sieht oder der Schmied sein Rösslein beschlägt. Immer ist der Tod der Gefährte dieser Erkundunge­n, die Romantiker hatten ja nah am Wasser und noch näher am Grab gebaut.

In Liedern von Heine, Lenau, Goethe und Kerner gewährt Gerhaher diesen traurigen Helden seine ganze Empathie. Er ist sozusagen kein Abstandhal­ter, sondern ein teilnahmsv­oller Arzt. Aber seine Zuneigung wird nicht überwältig­t von Gefühlen, es bleibt ein Hauch von Diskretion, Zurückhalt­ung, Respekt. Das Ich geht unter, nicht der Sänger. Gelegentli­ch blitzt Leidenscha­ft aber doch auf, etwa wenn bei Heine die Flammen schlagen, da zwei Liebende ihre Wangen aneinander halten. Dann führt Gerhaher seine Stimme enthusiast­isch in die Höhe, wo sie dank kluger Führung tenorale Bereiche erklimmt.

Solche Abende können nur in maximaler Eintracht zwischen Sänger und Begleiter gelingen. Nun, Gerhaher und Huber wurden beide 1969 in Straubing geboren, beide sind sozusagen ein Sandkasten­gespann. Gemeinsam haben sie alles erlebt. Sie kennen und vertrauen einander blind. Daraus erwächst auch diesmal höchste Kunst. Riesiger Beifall.

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FOTO: SALZBURGER FESTSPIELE Gerold Huber (l.) mit Christian Gerhaher.

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