Rheinische Post Mettmann

Suizid-„Spiel“: Mädchen ritzt sich Arm auf

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

In Radevormwa­ld hat sich eine 13-Jährige die Arme blutig geritzt. Ihr Vater entdeckte auf ihrem Smartphone das Suizid„Spiel“„Blue Whale“, in dem Jugendlich­e zum Selbstmord angestifte­t werden. Es scheint der erste Fall in NRW zu sein.

RADEVORMWA­LD Es ist Mittwochna­chmittag. Sprechstun­de im Jugendamt Radevormwa­ld. Plötzlich betritt ein Mann, der einen aufgelöste­n Eindruck macht, den Raum. Seine 13-jährige Tochter habe sich mehrfach in den Arm geritzt, berichtet er. Auf ihrem Smartphone habe er dann das Suizid-„Spiel“„Blue Whale“(Blauwal) entdeckt, in dem Teenager in kleinen Schritten angeleitet werden, sich nach 50 Tagen das Leben zu nehmen. „Man

„Die Verletzung­en sind zum Glück nur oberflächl­ich gewesen“

Volker Grossmann

Jugendamts­leiter

muss sich das mal vorstellen: Ein Mädchen fügt sich aufgrund eines vermeintli­chen Spiels solche Verletzung­en zu“, sagt Jugendamts­leiter Volker Grossmann. „Das ist sehr heftig.“Das Jugendamt bietet der Familie psychologi­sche Hilfe. „Die Verletzung­en sind zum Glück nur oberflächl­ich gewesen. Der Vater will noch einmal zu uns in die Sprechstun­de kommen und dann seine Tochter mitbringen“, so Grossmann, der auch die Polizei eingeschal­tet hat.

Der Fall scheint der erste dieser Art in Nordrhein-Westfalen zu sein – zumindest der erste, der den Behörden bekannt geworden ist. Denn nach Angaben des Landeskrim­inalamtes (LKA) sei dieses Phänomen in NRW vorher nicht aufgetrete­n. „Wir kennen die Thematik. Aber bislang ist das bei uns noch nicht vorgekomme­n. Jedenfalls lagen uns keine Erkenntnis­se vor“, sagte LKA-Sprecher Frank Scheulen.

Bei „Blue Whale“handelt es sich um eine Challenge (deutsch: He- rausforder­ung), die vor allem über WhatsApp verbreitet wird. Dabei werden Kinder und Jugendlich­e durch Kettenbrie­fe, die sie täglich per WhatsApp-Nachricht erhalten, in den Selbstmord getrieben. Ihnen wird dabei 50 Tage lang täglich eine Aufgabe gestellt. Es fängt damit an, ein trauriges Gedicht zu schreiben. An anderen Tagen soll man ein Tier töten und sich mit Rasierklin­gen in die Arme und Lippen ritzen. Am 50. Tag soll es dann zum Suizid kommen. Eine Aufgabe besteht auch immer darin, sich einen Wal in den Unterarm zu ritzen. „Das ,Spiel’ hat man deshalb Blauwal genannt, weil diesen Tieren nachgesagt wird, dass sie absichtlic­h an die Strände kommen, um zu sterben“, erklärt Grossmann.

In Russland, wo das „Spiel“zum ersten Mal auftauchte, sollen sich angeblich bereits 130 Jugendlich­e das Leben genommen haben. Als Erfinder gilt der 21-jährige russische Psychologi­e-Student Philippe Budeikin, der deshalb zu drei Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt worden ist.

Stoppen konnte das Urteil die Verbreitun­g dieses Kettenbrie­fes aber nicht. In Deutschlan­d gab es bislang nur vereinzelt­e Warnungen der Polizei in einigen Bundesländ­ern – etwa in Bayern und Berlin. Das LKA in NRW rät Eltern dazu, den Medienkons­um und das Ver- halten ihrer Kinder zu beobachten und bei Veränderun­gen hellhörig zu werden. „Es ist wichtig, dass Kinder Vertrauen zu ihren Eltern haben, damit sie ihnen auch Sachen aus dem Internet berichten, die ihnen selbst merkwürdig vorkommen“, so LKA-Sprecher Scheulen.

In Radevormwa­ld ist bislang nicht bekannt, ob die 13-Jährige die einzige ist, die sich offenbar aufgrund der Suizid-Anleitung die Arme aufgeritzt hat. Grossmann vermutet, dass auch andere Jugendlich­e in der Region die Kettenbrie­fe erhalten haben. „Erfahrungs­gemäß ist es in dieser Altersgrup­pe so, dass man so etwas untereinan­der austauscht“, erklärt der Jugendamts­leiter.

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FOTO: DPA Bei dem „Spiel“„Blue Whale“erhalten Kinder und Jugendlich­e WhatsApp-Nachrichte­n, die sie in den Tod treiben können.

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