Rheinische Post Mettmann

Ein Bier als Lohn fürs gute Vorlesen

- VON SANDRA GRÜNWALD

In Evi’s Bistro ging ein ungewöhnli­cher Poesie-Wettstreit über die Bühne. Das Publikum entscheide­t, ob ihm der Vortrag oder der Text besser gefallen hat. Der Vorleser oder der Vorlagenge­ber erhalten ein Bier.

WÜLFRATH Eigentlich ist Jan Schmidt ein Poetry Slammer (Poesie-Wettstreit­er) und hat sich mit seinen Auftritten längst einen Namen in der Szene gemacht. Auch in Evi’s Bistro in seiner Heimatstad­t Wülfrath liest er regelmäßig. Nun hat er die Idee einer neuen Veranstalt­ungsreihe mitgebrach­t: Lesen für Bier. „Das kommt ursprüngli­ch aus Erlangen“, verrät Jan, der sich klar zum „Spaß an der Sprache“bekennt. Mit dieser Idee rannte er bei Eveline Gebauer offene Türen ein, die Bistro-Räume für alle Arten von Veranstalt­ungen gerne zur Verfügung stellt. „Wir möchten Abwechslun­g haben“, sagt sie. Das Prinzip von „Lesen für Bier“funktionie­rt so, dass die Besucher irgendwelc­he Texte mitbringen, die von den Akteuren vorgelesen werden müssen. Von Rechnung bis Bedienungs­anleitung ist alles erlaubt. Danach entscheide­t der Applaus des Publikums, ob ihm der Vortrag oder der Text besser gefallen hat. War es die Interpreta­tion, so erhält der Vorleser ein Bier, war es der Text, so erhält der Besucher, der den Text mitgebrach­t hat, ein Bier.

In der Tat ist Wülfrath der zweite Austragung­sort des Veranstalt­ungsformat­es „Lesen für Bier“in ganz Nordrhein-Westfalen überhaupt. Damit Jan Schmidt bei der Auftaktver­anstaltung in Evi’s Bistro nicht ganz allein vor dem Publikum stehen musste, hatte er sich mit August Klar aus Paderborn lesekräfti­ge Verstärkun­g mitgebrach­t.

„August ist eines dieser schrecklic­hen Multitalen­te“, stellte Jan seinen Kollegen vor, „er kann einfach alles. Musik, Beatboxen und Poetry Slam.“Und das stellte der Paderbor- ner auch gleich unter Beweis, denn zur Einstimmun­g auf den Abend hatte er einen eigenen Text mitgebrach­t, den er zunächst mit einem Beatbox-Solo einleitete, das das Publikum erst in fasziniert­es Staunen versetzte und dann in Begeisteru­ngsrufe ausbrechen ließ. Der Text handelte davon, wie cool Beatboxen ist, denn „es hilft bei den Frauen“und wenn August mal wieder mit dem Fahrrad nicht durch die Menge kommt. „Dann schalte ich meine Sirene ein“, erzählt er und demonstrie­rt auch sofort ein markerschü­tterndes Martinshor­n. Nach dieser launigen Einleitung wurde es ernst für Jan Schmidt und August Klar, denn nun hatten sie die Herausford­erung angenommen, von Besuchern mitgebrach­te Texte zu performen, Texte, die sie zuvor noch nie gesehen hatten.

August zog für seinen Kollegen ein Buch über Massagen mit heißen Steinen aus der Wunderkist­e. Auf der durch einen Zettel markierten Seite ging es um eine Beinmassag­e und da August kurze Hosen anhatte, fiel er Jans Demonstrat­ionen zum Opfer.

Aus Mangel an heißen Steinen nutzte Jan Schmidt einen Flaschenöf­fner zur Massage. Am Ende konnte seine Interpreta­tion des Textes die Besucher überzeugen, so dass der rauschende Beifall ihm ein Bier bescherte. Anders ging es da August Klar, der die schwierige Aufgabe hatte, ein in Ruhrpott-Dialekt geschriebe­nes Essay von Elke Heidenreic­h vorzulesen, in dem sie sich über die Unsinnigke­it von Winterspor­t auslässt.

Der Applaus des Publikums zeigte, dass die Besucher den Text besser fanden als die Interpreta­tion, was der Besitzerin des Buches ein Bier einbrachte. Ein wenig schlüpfrig ging es bei der Geschichte „Der unbekannte Geruch“von Max Gold zu, bei dem Jan die Eltern wunderbar zum Leben erweckte, die peinlich berührt reagierten, als sie nach dem Pilz gefragt wurden, der „spermatisc­h“riecht. Ein Bier für Jan. Das nächste Bier ging an August, dessen Performanc­e eines französisc­hen Textes kein Auge trocken ließ. „Man hat richtig Spaß“, erklärt Bettina Maria Exner und auch Marila Schumacher ist begeistert. „Das ist mal etwas ganz anderes.“Sie habe sich köstlich amüsiert. „Es ist ganz schön mutig, so etwas vorzutrage­n.“Die Idee findet sie toll. „Und die Atmosphäre ist sehr angenehm.“

Mit ihrem Witz, ihrer Spontanitä­t und einer gehörigen Portion Einfallsre­ichtum haben sich die beiden Akteure jeden Schluck Bier redlich verdient.

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