Unter Geiern und Adlern
Die Greifvogelstation und des dazu gehörende Freiwildgehege Hellenthal in der Eifel ziehen jährlich 90.000 bis 100.000 Besucher an. Groß und Klein kann hier viel über die Natur lernen, zugleich betreibt der Park Artenschutz.
HELLENTHAL Mit strahlenden Augen sitzt die zweijährige Vajen van Laar in ihrem Buggy. Auf ihrem Schoß ein junger Uhu. Ganz entspannt sind beide, das Kind und der Vogel, der sich geduldig und sichtbar genussvoll das graue Gefieder streicheln lässt. „So soll es sein“, sagt Karl Fischer, der Besitzer und Betreiber der Greifvogelstation und des dazu gehörenden Freiwildgeheges Hellenthal in der Eifel. „Hier bei uns sollen die Besucher das einmalige Erlebnis haben, mit den Tieren und mit der Natur in ganz engen Kontakt zu kommen.“Der 60-jährige Fischer arbeitet seit 1970 in dem 1967 eröffneten Wildpark, fing als Tierpfleger an, durchlief einschlägige Ausbildungen, kam 1976 in die Greifvogelstation, obwohl er zu Beginn überhaupt keine Beziehung zu Vögeln hatte. Heute gehören ihm und Ute Niesters, Witwe des weltbekannten Gründers der Greifvogelstation, Horst Niesters, der Park mit rund 240 Adlern, Geiern, Eulen, Uhus, Bussarden und Falken sowie weiteren 600 Tieren im Wildgehege.
Hirsche, Wildschweine und Schafe sind darunter, Alpakas, Kängurus, Waschbären, Hängebauchschweine, Lamas, Auerochsen, Wildpferde, Wildkatzen, Polar- füchse, Luchse und Füchse, Esel, Ziegen, Kaninchen und zahlreiche Tierarten mehr. Viele von ihnen können in dem 75 Hektar großen Park gestreichelt und gefüttert werden. Und das ist Karl Fischer wichtig. „Hier in Hellenthal haben wir noch ein Stück heile Welt, in der vor allem Kinder die Faszination im Umgang mit Natur und Tieren kennenlernen können.“Ihn schockiert es immer wieder, wenn Jugendliche allen Ernstes nach der lila Milka-Kuh fragen, die es ja geben müsse, weil sie im Fernsehen gezeigt werde. Neben solcher Art von Bildungsvermittlung betreibt der Park zugleich Artenschutz. 99 amerikanische Weißkopfadler wurden hier gezüchtet, 2008 der erste europäische Kaiseradler. Und wie der junge Uhu, den die kleine Vajen aus der Nähe von Utrecht unter den Blicken ihrer Eltern Sanna und Jan auf ihrem Schoß hält, sind die meisten Tiere hier in Hellenthal geboren. Abhängig vom Wetter zählt Fischer jährlich 90.000 bis 100.000 Besucher. Sie kommen aus den Niederlanden, Belgien und aus dem Rheinland, als Tagesgäste oder als Eifelurlauber – so wie die dreiköpfige Familie Rath aus der Nähe von Rotterdam, die eine Woche lang in Heimbach Quartier bezogen hat und nun die Region um Rursee und Oleftalsperre erkundet. Auch sie genießen gerne die Natur, wandern ausgiebig und sind vor allem gespannt darauf, den großen Greifvögeln nahe zu kommen. „Adler und Geier gibt es bei uns in den Niederlanden nicht zu sehen“, sagt Vater Ben.
Und in der Tat gehören Kaiseradler „Artus“, Weißkopfadler „Bonni“, Mondgeier „Whisky“oder der Condor „Santiago“und deren Artgenossen zu den Stars der Anlage. Schier unglaublich mutet es an, wenn etwa einer der Seeadler – von einer Anhöhe in der Umgebung losgeschickt – sich mit Hilfe von Thermik in Minutenfrist auf 2000 Meter Höhe hochschraubt, um dann auf Kommando im Sturzflug mit Geschwindigkeiten von bis zu 260 Stundenkilometern ins Tal zu rasen und unter den Augen des staunenden Publikums punktgenau auf dem Arm des Falkners zu landen. Zur Belohnung gibt es ein Futterküken. Mutige unter den Besuchern dürfen auch schon mal selbst einen der knapp fünf Kilo schweren Weißkopfadler auf den Arm nehmen oder aus näherer Entfernung anfliegen lassen – natürlich geschützt durch einen dicken, unterarmlangen Lederhandschuh. Nimmt mitunter einer der prachtvollen Vögel Reißaus? „Sehr selten“, sagt Karl Fischer, der betont, dass die Tiere alles, was sie in der Luft treiben, freiwillig und selbstbestimmt tun. „In dem nun 50-jährigen Bestehen unserer Anlage sind 18 Vögel verschwunden. Neun von ihnen haben nachweislich an der Ostsee ein neues Zuhause gefunden und sich dort verpaart.“Hin und wieder bleibt auch mal ein Vogel zwei, drei Tage fort, jagt ein paar Mäuse und taucht dann unversehens wieder im Wildpark auf. Leicht 150 Kilometer weit kann solch ein ungeplanter Ausflug schon mal führen. Und wieso kehren fast alle der Greifvögel zurück? „Sie sind hier groß geworden, haben hier ihre vertraute Heimat, ihr Futter, ihre Voliere. Für sie gibt es kaum einen Grund zu verschwinden“, erklärt Fischer.
60 bis 70 Vögel werden bei den drei Vorführungen um 11, 14.30 und 16 Uhr eingesetzt. Der 60-Jährige und im Sommer knapp 20 weitere seiner Angestellten betreuen die Flugvorführungen, sie versorgen die Tiere, kümmern sich um Besuchergruppen, sorgen für Ordnung und Sauberkeit im Park. „Hier ist jeder Mädchen für alles“, so Fischer. „Anders geht es auch nicht.“So fährt einer der Kollegen viermal täglich die Besucher rund eine halbe Stunde lang durch das weitläufige Wildgehege – einschließlich fachkundiger Erklärung zu allen Wildarten und Sehenswürdigkeiten rechts und links des Weges.
Die Fahrt ist kostenlos, wie alle Vergnügungen im Park: vom Kasperletheater für kleine und groß gewordene Kinder (12, 14 und 17 Uhr) bis zum Streichelzoo und dem Besuch der zahllosen Volieren und Klein- oder Großgehege – außer natürlich den Speisen und Getränken im Imbiss „Waldschänke“am Kinderspielplatz oder im Restaurant „Zum Adler“am Haupteingang. „Mit dem Eintrittsgeld (siehe Kasten) ist alles abgegolten“, sagt Fischer. „Die Leute sollen sich den ganzen Tag hier aufhalten können, ohne ständig neu zahlen zu müssen.“
In den Sommerferien gibt es auch Führungen zu Fuß durch den gesamten Park. Und natürlich kann man sich unabhängig davon überall frei bewegen, in die Gehege zahlreicher Arten eintreten und zum Beispiel Damwild, Schafe oder Alpakas füttern. Wie Familie Kolsteeg aus Nimwegen, die sich mit Sohn Mels und Tochter Pien eine Woche Urlaub in Monschau gönnt und heute in Hellenthal die Zeit nimmt, die Dutzenden Spezies „ganz aus der Nähe zu beobachten“.
Vielleicht kommen sie ja noch einmal wieder zu einem er beiden zusätzlichen Großereignisse des Parks in diesem Jahr: Am 16. und 17. September feiern die Greifvogelstation und das Wildfreigehege ihr 50-jähriges Bestehen – zum Jubiläumseintritt von fünf Euro und mit vielen zusätzlichen Überraschungen. Oder zur Hubertusnacht am 21. Oktober unter anderem mit Eulenflugprogramm und Hirschbrunft, in der man bei stimmungsvoller Wegebeleuchtung das Nachtleben der Tiere beobachten kann.
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