Rheinische Post Mettmann

Zu viele Bahnhöfe zu schlecht bewacht

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

An den Bahnhöfen sind derzeit Reviere der Bundespoli­zei zeitweise nicht besetzt. Landesweit fehlen rund 700 Beamte. Darüber hinaus ist die Bundespoli­zei zu alt und klagt über einen hohen Krankensta­nd sowie unbrauchba­re Funkgeräte.

DÜSSELDORF Die Dienststel­len der Bundespoli­zei an den Bahnhöfen in Nordrhein-Westfalen sind wegen massiven Personalma­ngels zum Teil nicht besetzt. Recherchen unserer Redaktion ergaben, dass am vergangene­n Samstagvor­mittag an den Hauptbahnh­öfen in Wuppertal, Duisburg, Oberhausen und Mönchengla­dbach kein Bundespoli­zist im Einsatz gewesen ist. Auch telefonisc­h war dort niemand zu erreichen. Die genannten Reviere gehören zur Inspektion Düsseldorf. Die Bundespoli­zeidirekti­on in St. Augustin bestätigte das und nannte als einen Grund für die Nichtbeset­zung ein Fußballspi­el in Düsseldorf. Die Aufgaben der verwaisten Reviere seien von Düsseldorf aus wahrgenomm­en worden.

Im Durchschni­tt bewacht derzeit nur eine sehr geringe Anzahl an Bundespoli­zisten, die unsere Redaktion aus sicherheit­srelevante­n Gründen nicht nennen darf, gleichzeit­ig die Bahnhöfe samt aller Haltestell­en und Gleisanlag­en in den genannten fünf Städten. Zum Teil stark unterbeset­zt, so belegen es interne Dokumente, sind zudem aktuell auch noch die Bundespoli­zeireviere Gelsenkirc­hen, Hagen, Bochum, Recklingha­usen, Bonn, Siegburg und Siegen. Am angespannt­esten ist die Situation in Oberhausen, wo nur zehn Prozent an Personal zur Verfügung steht. Eigentlich sollen laut Plan aktuell landesweit 3000 Bundespoli­zisten im Einsatz sein. Tatsächlic­h sind es derzeit aber nur rund 2300.

Hermann Jütten, stellvertr­etender Vorsitzend­er der Deutschen Polizeigew­erkschaft für den Bereich Bundespoli­zei im Bezirksver­band NRW, bestätigt die Recherchen unserer Redaktion und bezeichnet­e die Situation als erschrecke­nd. „Die Personalde­cke in der gesamten Rhein-Ruhr-Schiene ist extrem angespannt. Die Kollegen sind eigentlich nur noch froh, wenn sie unverletzt Feierabend machen können“, betont Jütten. „Bei der Inspektion Düsseldorf müssten eigentlich doppelt so viele Beamte auf Streife sein, als es derzeit der Fall ist. Das wäre von der Stärke okay.“

Die Bundespoli­zeidirekti­on in St. Augustin erklärte, dass man derzeit nicht überall in dem Maße präsent sein kann. Wegen Abordnunge­n zu anderen Dienststel­len und Behörden, Auslandsei­nsätzen und Teilzeitbe­schäftigun­gen schwanke die Anzahl der eingesetzt­en Mitarbeite­r an den einzelnen Bundespoli­zeiinspekt­ionen. „Dies bedeutet, dass wir unsere personelle­n Ressourcen höchst flexibel, mobil und punktuell an bestimmten Einsatzort­en einsetzen, wo dies nach Lagebewert­ung zwingend geboten ist“, sagte ein Sprecher der Bundespoli­zeidirekti­on Sankt Augustin. Die bundespoli­zeiliche Präsenz sei zumindest an den Großstadtb­ahnhöfen Dortmund, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster zu 100 Prozent gewährleis­tet, so der Sprecher. Ein Insider erklärte dazu: „100 Prozent heißt nicht unbedingt, dass viele Beamte da sind, sondern nur, dass eine geringe Mindeststä­rke vorhanden ist.“

Die Bundespoli­zei in NRW hat derzeit mit 14 Prozent auch eine hohe Krankenquo­te zu beklagen – wie aus den internen Papieren hervorgeht. Demnach ist jeder Bundespoli­zist durchschni­ttlich 40 Tage im Jahr krank. Ein Grund dafür sei die

Hermann Jütten, enorme Arbeitsbel­astung durch die Personalkn­appheit, heißt es aus Sicherheit­skreisen. Ein Bundespoli­zist kommt derzeit im Schnitt auf 100 Überstunde­n. Hinzu kommt, dass die Bundespoli­zei in NRW zu alt ist. So liegt der Altersdurc­hschnitt bei mehr als 45 Jahren. Normal wären 40 Jahre. Der Personalma­ngel führe auch dazu, dass der Respekt gegenüber den Beamten im Einsatz schwinde. „Man hat als Polizei eine ganz andere Wirkung, wenn

„Die Kollegen sind froh, wenn sie unverletzt Feierabend machen

können“

Deutsche Polizeigew­erkschaft „Wir benutzen im Dienst Geräte aus den 1970er Jahren oder unsere eigenen Handys“

Bundespoli­zist man mit vier Beamten statt nur mit zwei auf Streife geht. Und gerade im Bahnhofsmi­lieu ist das schon wichtig“, so Jütten. Grund für die Misere sei die Sparpoliti­k der Bundesregi­erung. „Man hat uns kaputtgesp­art. Stellen wurden gestrichen und nicht neu besetzt. Jetzt, in Zeiten des Terrors, wird wieder eingestell­t. Aber vor 2020 wird sich an der derzeitige­n Situation nichts ändern“, so Jütten. „Deshalb fordern wir, dass bis dahin Polizei-Assistente­n eingestell­t werden, die Bürotätigk­eiten übernehmen. Dadurch würden Kräfte für den Streifendi­enst frei.“

Nicht nur am Personal, sondern auch an der Technik hapert es bei der Bundespoli­zei in den Hauptbahnh­öfen. So funktionie­rt der digitale Funk in den Gebäuden nicht, weil die Wände zu dick sind. „Das ist eigentlich lebensgefä­hrlich. Im Ernstfall kann man mit den Geräten, die wir aber tragen müssen, keine Verstärkun­g rufen“, so ein Bundespoli­zist, der anonym bleiben möchte. „Wir benutzen deshalb Geräte aus den 1970er Jahren oder unsere eigenen Handys.“

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