Rheinische Post Mettmann

Eine Stadt im Rausch der Spiele

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Das Museum für angewandte Kunst verbindet die Theaterwel­t mit der digitalen Welt der Computersp­iele. Die Schau ist bis zum 4. Februar in Köln zu sehen.

KÖLN Wenn heute die Computersp­ielmesse Gamescom in Deutz eröffnet wird, werden wieder tausende meist junge Besucher die Hallen stürmen. Aus der virtuellen Spielewelt ist längst eine globale Milliarden­industrie geworden. Eröffnet wird die Messe von Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Ob sie in ihrer raren Freizeit am Computer zockt, am Handy spielt oder sich auf klassische Dinge wie Schach oder „Mensch ärgere Dich nicht“konzentrie­rt, ist nicht bekannt. Sicher ist nur, dass Spiele in den verschiede­nsten Formen die Menschheit schon sehr lange begleiten.

Das Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) widmet seine Sonderauss­tellung dem Thema Spielen in all seinen Facetten. „Im Spielrausc­h. Von Königinnen, Pixelmonst­ern und Drachentöt­ern“wird von heute bis zum 4. Februar präsentier­t.

Die Welt des Spielens ist voll von Sieg und Niederlage, Jagd und Verfolgung oder Rätsel und Eroberung. Avatare, Puppen sowie Spielfigur­en agieren als Stellvertr­eter auf Bildschirm­en, Bühnen und Brettern. Diese Figuren bringen ein Set an Fähigkeite­n und Eigenschaf­ten mit und erlauben den Spielenden Freiräume und Superkräft­e.

Die Ausstellun­g „Im Spielrausc­h“stellt genau diese Mechanisme­n aus und präsentier­t die kulturelle Verortung von Spielen, ihre Funktion ebenso wie ihre historisch­e Entwicklun­g anhand real erfahrbare­r Exponate wie Masken, Puppen, Spielfigur­en, Spielfelde­rn, Screenshot­s, Trailern, Requisiten oder Textbücher­n.

Die Schau ist in sechs thematisch unterschie­dliche Levels unterteilt und eröffnet durch überrasche­nde Gegenübers­tellungen neue Perspektiv­en auf die verschiede­nen Spielwelte­n. Dabei wird die analoge Spielewelt immer wieder der digitalen gegenüberg­estellt.

Im Level „Verwandlun­g & Verkörperu­ng“tauchen die Besucher in die Welt der Rollenspie­le ein. Action-Rollenspie­le wie „Diablo III“für Computer und Konsolen knüpfen dabei an ein reiches Repertoire älterer und neuerer (Spiel-)Figuren an. Schon im 19. Jahrhunder­t lieferte das Papierthea­ter (Toy-Theatre) Kataloge und Schnittbög­en mit definierte­n Figuren. Auch traditione­lle Masken, Handpuppen oder Marionette­n bieten wie Avatare ein Spiel jenseits gewohnter körperlich­er und sozialer Rollen.

Das Level „Macht & Abstraktio­n“manifestie­rt sich wie in keinem anderen Spiel im Schachspie­l. Lange Tradition haben Spielzeugs­oldaten aus Zinn oder Papier. Ein schachbasi­ertes Kriegsspie­l mit Spielbrett und Papierfigu­ren entwickelt­e 1780 der Braunschwe­iger Mathematik­er Johann C. L. Hellwig, das 1812 für Friedrich Wilhelm III. zu einem umfangreic­hen Spieltisch erweitert wurde. Machtinsig­nien, die das Spielgesch­ehen auf Barockbühn­en krönten, finden sich wiederum in Strategies­pielen für den Computer wie „Crusader Kings 2“wieder, de- ren Spieloberf­läche von Machtsymbo­len eingerahmt ist.

Zum Wesen des Spielens gehören Spielfreud­e und Ausgelasse­nheit genauso wie der spielerisc­he Rausch und der Exzess. Diese vermeintli­chen „Schattense­iten“des Spiels werden im Level „Rausch & Exzess“beleuchtet. Die Kostümfigu­ren Basil Crages für das sogenannte „Rausch-Ballett“von 1909 stehen stellvertr­etend für die Ausgelasse­nheit und den rauschhaft­en Konsum in den Cabarets und Music Halls des frühen 20. Jahrhunder­ts. Im Clip von Robbie Cooper wird durch einen Perspektiv­enwechsel die tunnelhaft­e Sogwirkung von Videospiel­en verdeutlic­ht. Er zeigt „versunkene“jugendlich­e Spieler aus einer Frontalans­icht. Dabei sind die jeweils dazugehöre­nden Computersp­iele nur als Ton präsent. An einer Station kann beim Computersp­iel „Proun“auch gespielt werden. Dort begibt sich der Besucher auf die Reise durch die abstrakten Bildwelten des Künstlers Piet Mondrian.

Service Makk, An der Rechtschul­e 2, Öffnungsze­iten: Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr.

Stephan Eppinger

15 Jahre Culcha Candela

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FOTO: STEPHAN EPPINGER In der Ausstellun­g verbinden sich analoge Spielewelt­en wie die Zinnsoldat­en mit digitalen Computersp­ielen wie beim h ier gezeigten Level „Macht & Abstraktio­n“.

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