ANALYSE Um
den Flüchtlingsstrom über das Mittelmeer zu stoppen, will die EU ihre südliche Außengrenze nach Afrika verlagern und dort Staaten für die Einrichtung von Auffanglagern bezahlen. Das kann nur eine Notlösung sein.
ge Tausend Kilometer nach Süden verlegt. Das, so kalkuliert man in Berlin, Paris und anderswo, schreckt die Migranten ab und erspart uns die Bilder von im Mittelmeer treibenden Leichen.
Ob diese Rechnung aufgeht, ist freilich ungewiss. Schon bisher sind die Bemühungen, potenziellen Migranten die Aussichtslosigkeit ihrer Flucht ins vermeintlich goldene Europa zu vermitteln, weitgehend wirkungslos verpufft. Den besten Beleg dafür hat der französische Präsident Emmanuel Macron, der derzeit am nachdrücklichsten auf eine „afrikanische Lösung“des Flüchtlingsproblems drängt, im eigenen Land: Seit Jahren stranden an der Kanalküste bei Calais Migranten aus aller Herren Länder, die unbedingt nach England wollen. Ihre Bleibeaussichten sind gleich null. Trotzdem reißt der Zustrom nicht ab. Außerdem, das zeigt das Beispiel Türkei, macht sich die EU politisch erpressbar, wenn sie ihr Einwanderungsproblem an andere Staaten delegiert.
Deswegen wird die Abriegelungsstrategie allein nicht funktionieren, sie kann bestenfalls eine Übergangslösung sein, der wir lieber nicht das Etikett „humanitär“verpassen sollten, das wäre Heuchelei. Aber man kann sie rechtfertigen, wenn dadurch Zeit gewonnen wird für die Umsetzung einer wirklichen Strategie gegen das Flüchtlingsdrama. Auch sie wird seit vielen Jahren diskutiert: Afrikas Wirtschaft muss gestärkt werden, damit die Menschen in ihrer Heimat bleiben können – und wollen. Nicht mit Almosen, sondern mit Investitionen, vor allem aus privater Hand, die die EU über Bürgschaften absichern könnte. Warum sollen deutsche Mittelständler dort nicht in Öko-Energieprojekte investieren und Jobs schaffen?
Beim EU-Afrika-Gipfel im November soll eine Art Marshall-Plan für Afrika aufgelegt werden, aber noch wichtiger wäre es, afrikanischen Ländern endlich stärkeren Zugang zum EU-Binnenmarkt zu geben, damit sie dort Geld verdienen können, etwa mit Agrarprodukten. Gewiss, das wird Europas Bauern nicht gefallen. Aber unser Kontinent kann nicht auf Dauer in Frieden leben, wenn es Afrika auf Dauer schlecht geht.