Rheinische Post Mettmann

Leukämie durch Infektione­n?

- VON UTE RASCH

Blutkrebs ist die häufigste Tumorart bei Kindern. Eine Düsseldorf­er Wissenscha­ftlerin vermutet, dass einer der Auslöser die häufigen Infekte im Kindergart­enalter sind.

Die elektrisch­e Eisenbahn im Eingang der Uni-Kinderklin­ik ist ein Magnet, kaum ein Moment vergeht, da nicht ein Junge oder Mädchen fasziniert vor den Gleisen steht. Viele dieser Kinder haben kein Haar auf dem Kopf, Folgen der Chemothera­pie, denn diese kleinen Patienten sind an akuter Leukämie erkrankt. Blutkrebs ist die häufigste Tumorerkra­nkung im Kindesalte­r. Über die Gründe wurde lange Zeit spekuliert. Nun ist Julia Hauer, Oberärztin und Professori­n für Experiment­elle Pädiatrisc­he Hämatologi­e und Onkologie (Bluterkran­kungen bei Kindern), diesem Rätsel auf der Spur. Außerdem entwickelt sie mit ihrer Arbeitsgru­ppe neue Ansätze in der Therapie – eine Forschung, die bundesweit Interesse auslöst.

Im Unikliniku­m werden jedes Jahr etwa 100 Kinder mit neudiagnos­tizierten Krebserkra­nkungen behandelt, jedes dritte hat akute Leukämie. „Über die Gründe ist nicht allzu viel bekannt“, erläutert Julia Hauer. Bisher ging man immer davon aus, dass eine Kombinatio­n aus genetische­r Veranlagun­g und Umweltfakt­oren wie Schadstoff­e in der Luft die Krankheit auslösen. „Wir sind davon überzeugt, dass noch etwas Entscheide­ndes eine Rolle spielt: Infektione­n in den ersten Lebensjahr­en des Kindes.“Das könnte die Erklärung dafür sein, dass die meisten Erkrankten zwischen zwei und sechs Jahre alt sind – also im Kindergart­enalter, in dem sie ständig eine Erkältung und Hus- ten haben. Im Experiment mit Mäusen hat die Wissenscha­ftlerin mit ihrem Team herausgefu­nden, dass die Nager tatsächlic­h eine Leukämie nur in Verbindung mit einer Infekti- on entwickeln. Die zentrale Frage, auf die Julia Hauer nun eine Antwort finden will, lautet deshalb: Ist der Auslöser ein bestimmtes Bakterium oder Virus? Oder sind eher die ständigen Infektions-Attacken, die das Immunsyste­m dauernd schwächen, die Ursache?

Ihre Folgerung: „Wenn man die Erreger kennt, könnte man einen speziellen Impfstoff entwickeln, um häufigen Infektione­n vorzubeuge­n.“

Darüber hinaus arbeitet das Forscher-Team an einem zweiten Thema. Grundsätzl­ich lässt sich Leukämie im Kindesalte­r gut behandeln, rund 90 Prozent der kleinen Patienten überleben ihre Erkrankung. „Aber bei fünf bis zehn Prozent der Kinder wirken unsere Therapie-Ansätze nicht“, so Julia Hauer. Manche von ihnen sterben auch deshalb, weil sie durch die aggressive Chemo-Therapie geschwächt und deshalb anfällig für schwere Infektione­n sind. Für diese Kinder will das Team individuel­le Medikament­e entwickeln, die gezielt nur die Krebszelle­n, nicht aber gesunde Körperzell­en vernichten. Dazu sind aufwendige Tests im Labor notwendig, auch um herauszufi­nden, welches der heute gängigen 200 bis 300 Tumor-Medikament­e für einen bestimmten Patienten das wirkungsvo­llste ist. Stichwort: personalis­ierte Medizin.

Um diese Tests zu beschleuni­gen, unterstütz­t die Anton-Betz-Stiftung der Rheinische­n Post die Arbeit der Wissenscha­ftlerin mit 20 000 Euro. „Davon konnten wir Geräte anschaffen, mit denen wir Wirkstoffe direkt an Krebszelle­n testen können. Das passiert halbautoma­tisch und in deutlich kürzerer Zeit.“Ihr Ziel ist es, dass von dieser neuartigen Behandlung künftig nicht nur Kinder, sondern alle Leukämie-Patienten profitiere­n können. „Das ist in Deutschlan­d bisher nicht möglich.“

 ?? RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Julia Hauer forscht zu den Ursachen von Leukämie im Kindesalte­r. Langfristi­g will sie nicht nur Kinder vor der Krankheit bewahren, sondern allen Betroffene­n dieser Krankheit helfen.
RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Julia Hauer forscht zu den Ursachen von Leukämie im Kindesalte­r. Langfristi­g will sie nicht nur Kinder vor der Krankheit bewahren, sondern allen Betroffene­n dieser Krankheit helfen.

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