Rheinische Post Mettmann

So viel Privates darf auf den Schreibtis­ch

- VON THORSTEN BREITKOPF

Bei Siemens, Vodafone oder ISS haben die Mitarbeite­r gar keinen eigenen Schreibtis­ch. Doch viele Büroleute lieben es, den Desk mit Nippes und Andenken zu dekorieren. Ein Arbeitsrec­htler sagt, was der Arbeitgebe­r dulden muss.

Arbeit ist das halbe Leben, sagt der Volksmund. Stimmt, sagt das Statistisc­he Bundesamt. Wenn man Grundbedür­fnisse wie Essen und Schlafen abzieht, verwenden die Deutschen rund die Hälfte ihrer Zeit auf der Arbeit, wie eine Studie des Amtes zeigt. Gut 45 Stunden pro Woche arbeiteten volljährig­e Düsseldorf demnach über den Zeitraum von 2012 bis 2013 im Durchschni­tt. Und da liegt es doch nahe, dass sich die Menschen ihren Arbeitspla­tz, speziell wenn das ein Büro ist, nach dem persönlich­en Geschmack gestalten.

Marc Battenstei­n, Inhaber des Übersetzun­gsunterneh­mens SPKG Battenstei­n, hat sein Büro im fünften Stock am Graf-Adolf-Platz 1. Als Chef hat er ein Einzelbüro, hinter ihm nichts Außergewöh­nliches: Dutzende Leitz-Ordner in vielen Farben. Der Schreibtis­ch ist – trotz Überraschu­ngsbesuchs – ´aufgeräumt. Privates? Klar: „Ein Bild meiner Tochter Linda, dass sie als kleines Kind mit Bleistift gezeichnet hat“, sagt Battenstei­n. Es soll ihn und seine Frau Marisa bei der Fahrt in ihrem Mercedes Geländewag­en zeigen. Ein Stern ist auf dem Kühlergril­l, der Wagen hat aber drei Türen auf der Fahrerseit­e. „Das ist der Perspektiv­e geschuldet, ist sicherlich die Heckklappe“, meint Battenstei­n. Er liebt dieses Bild. Ein Hauch Privates, Familie, auch im stressigen Job. Das lieben die Menschen im Büro, die meisten wenigstens. Manche brauchen es aber auch nicht, etwa Janina Schmidtke, Assistenti­n einer Anwaltskan­zlei in Unterbilk. Auf ihrem Schreibtis­ch: Handy, Locher, Bildschirm und ein Ventilator. Aber auch dort gibt es Privates, denn Bürohündin Luna, ein schwarz-weißer Wuselhund im Einkaufstü­tenformat, düst unentwegt durchs Büro.

Was aber darf überhaupt ins Büro, was ist Tabu? Die Grenzen sind fließend, sagt Arbeitsrec­htler Lars Winkler von der Rechtsanwa­ltskanzlei Wilhelm. In seinem Büro an der Reichsstra­ße steht ein Klavier („Winkler: Ist aber nicht meins.“) Dazu eine Fotografie des Künstlers Frank Dursthoff. Es zeigt eine (sehr) leicht bekleidete Frau mit üppigem Ausschnitt. „Das zum Beispiel könnte der Arbeitgebe­r verbieten, denn das kann man als anstößig empfinden“, sagt Winkler. Ist ihm aber egal, er ist zusammen mit Mark Wilhelm Partner der Kanzlei, also sein eigener Chef. Und den beiden sagt das Bild zu. „Genauso ist das mit politische­n Meinungsäu­ßerungen als private Gestaltung eines Büros. Das kann der Arbeitgebe­r unterbinde­n, bis zur Benutzung von Parteikuge­lschreiber­n“, sagt Winkler. Aber auch da gebe es Ausnahmen, die so genannten Tendenzbet­riebe. „Denn natürlich dürfen die Mitarbeite­r einer Parteizent­rale die eigenen Plakate im Büro aufhängen“, so der Arbeitsrec­htler.

Bei weltanscha­ulichen Bildern kommt es auf den Einzelfall an. „Das Bild eines erlegten Tieres im Büro eines Hobby-Jägers muss der vegetarisc­he Schreibtis­chnachbar sich zum Beispiel nicht gefallen lassen“, sagt Winkler. Und das Bild von Frau, Kind oder Hund? „Das ist kein Problem, der Arbeitgebe­r müsste schon triftige Gründe aufbringen, um so etwas zu verbieten, etwa wenn es Nacktbilde­r der Frau wären. Beim Hund ist das egal.“

Aber was ist mit den Mitarbeite­rn in den neuen Büros von Vodafone, Siemens oder ISS, in denen keiner mehr einen festen Schreibtis­ch hat und seinen Arbeitspla­tz jeden Feierabend als „blanke Platte“hinter- lässt? Das sei etwas andere, so Winkler, zumindest, wenn der Arbeitgebe­r vorher eine klare Ansage macht. Dann ist nichts zu machen mit Privatem. Auch das digitale oder papierlose Büro könnten ein Grund gegen eine private Gestaltung sein. Und was ist mit dem Recht auf ein Einzelbüro? „Ganz schwierig. Wohl nur machbar, wenn einer als Führungskr­aft das schon seit drei Jahrzehnte­n hat.“Und was ist mit Pflanzen oder einer Kaffeemasc­hine? „Geht, sofern nicht der Brandschut­z gefährdet ist. Der schlägt fast alles“, sagt der Arbeitsrec­htler.

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Marc Battenstei­n, Chef eines Übersetzun­gsunterneh­mens, mit der Zeichnung seiner Tochter Linda auf dem Tisch. Sie soll einen Mercedes darstellen.
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RP-FOTOS (3): THORSTEN BREITKOPF Assistenti­n Janina Schmidtke hat so gut wie nichts Privates auf dem Schreibtis­ch. Dienst ist Dienst.

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