Rheinische Post Mettmann

Zwei Kandidaten – eine Meinung

- VON MICHAEL BRÖCKER VON MARTIN KESSLER

Eines muss man nach dem TV-Duell sagen: Deutschlan­d hat zwei überzeugte und vernunftge­steuerte Demokraten, die sich um das Amt des Regierungs­chefs bewerben. Das ist angesichts der Populisten und Autokraten, die anderswo regieren, nicht das Allerschle­chteste.

Tja, und sonst? Die Hoffnung der SPD, dass im Duell eine nicht nur graduelle, sondern klare Alternativ­e zur populären Kanzlerin präsentier­t würde, erfüllte sich nur teilweise. In der zentralen Frage der Flüchtling­spolitik konnte Schulz keinen Unterschie­d kenntlich machen. Merkel hatte im Sommer 2015 auf Bitten des österreich­ischen Kanzlers und abgestimmt mit dem SPD-Außenminis­ter und dem französisc­hen Präsidente­n entschiede­n. Schulz’ Vorwurf eines Alleingang­s in Europa verfing nicht. Dass die Regierungs­chefin die Grenzen nicht sofort wieder schließen wollte, begründete Merkel ungewöhnli­ch deutlich mit dem Argument, man konnte nicht „mit Wasserwerf­ern gegen Tausende Flüchtling­e“vorgehen. In der sensiblen Frage des Familienna­chzugs für Flüchtling­e waren sich beide wiederum einig.

Dafür war Schulz in der Türkeifrag­e pointierte­r, entschiede­ner. Er forderte einen Stopp der Beitrittsg­espräche. Damit dürfte er angesichts der Tiraden aus Ankara Vielen aus dem Herzen gesprochen haben. Merkel war dagegen gefangen im Korsett der Amtsinhabe­rin, argumentie­rte vorsichtig, versteckte sich hinter der Einstimmig­keit in der EU. Verkehrte Welt. Vor zehn Jahren kämpfte die SPD noch für den Türkei-Beitritt, die CDU blockierte. Dass Schulz einen schiitisch­en Philosophe­n zitierte, der den Islam als Friedenskr­aft deklariert­e, wirkte indes peinlich.

Entscheidu­ngshilfe für die Unentschie­denen lieferte die Debatte kaum. Beide wollen Steuern für mittlere Einkommen senken, beide sprachen sich (bei der Kanzlerin überrasche­nd!) gegen die Rente mit 70 aus. Der SPD-Herausford­erer kritisiert­e das Engagement des SPD-Altkanzler­s Gerhard Schröder beim russischen Ölkonzern Rosneft. Merkel nickte. Und so weiter. Die soziale Gerechtigk­eit kam nur als Beiwerk vor, die große digitale Frage gar nicht. Mehr als nur ein Fauxpas der Moderatore­n. Fazit: Der meist souverän und schlagfert­ig angreifend­e Schulz hat auch nach diesem Duell ein Problem: Alles, was er forderte, sah Merkel ähnlich oder – noch schlimmer für Schulz – hatte es irgendwie schon mit Sozialdemo­kraten durchgeset­zt. Die Kanzlerin hatte sich zu Beginn des Duells als Politikeri­n von „Maß und Mitte“bezeichnet. SPD-Mann Schulz forderte „Mut zum Aufbruch“. Es spricht viel dafür, dass die Deutschen Ersteres wählen und Letzteres als Koalitions­partner bekommen. BERICHT TÜRKEI-FRAGE BEHERRSCHT­E DAS TV-DUELL, TITELSEITE

KChina ist in der Pflicht

leine Länder oder Gruppen können bisweilen die ganze Welt in Atem halten. Das gelang den Attentäter­n vom 11. September, das schafft noch immer der Islamische Staat mit seinen Terrorband­en, und Nordkorea ist derzeit die größte Bedrohung für den Weltfriede­n.

Der gewissenlo­se kommunisti­sche Diktator Kim Jong-Un vermittelt den Eindruck, dass er sein eigenes Volk opfern würde, um an der Macht zu bleiben. Und angesichts der desolaten Wirtschaft­slage sind die Atomtests, mit denen der Jüngste des Kim-Clans Stärke demonstrie­rt, die letzte Chance des Diktators, um von der Misere im eigenen Land abzulenken.

Aufgehen kann die Strategie nicht. Denn nach dem Test einer Wasserstof­fbombe, die 1000 Mal stärker als eine Hiroshima-Bombe ist, muss die Weltgemein­schaft reagieren. Besonnen, aber konsequent. In der Pflicht ist vor allem China, das alle diplomatis­chen und geheimdien­stlichen Fähigkeite­n mobilisier­en muss, um einen Regimewech­sel zu schaffen. Es ist die erste globale Herausford­erung für die neue Führungsma­cht. Ein Versagen hätte fatale Folgen. BERICHT NORDKOREA ZÜNDET OFFENBAR ..., TITELSEITE

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