Rheinische Post Mettmann

Geschäftsm­odelle zukunftsfä­hig machen

- VON NICOLE WILDBERGER

Umbrüche in Wirtschaft und Gesellscha­ft gab es immer – das lehrt schon der Blick in die Geschichts­bücher (oder die entspreche­nden digitalen Seiten von Wikipedia). Allerdings hat sich das Tempo des wirtschaft­lichen Wandels in den vergangene­n 20 Jahren sehr verschärft. Unternehme­n müssen auch in wirtschaft­lich guten Zeiten immer die Zukunft im Blick haben – und ihre eigene Restruktur­ierung im Geiste vorwegnehm­en, sagt der erfahrene Jurist und Steuerbera­ter Dr. Wolf-R. von der Fecht.

Gustav Andreas Theodor Hartmann war zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts für die Berliner ein Held. Er inspiriert­e den deutschen Dramatiker Hans Fallada zu dem Roman „Der eiserne Gustav“– der legendäre Droschkenf­ahrer, der am 2. April 1928 mit seiner Kutsche samt Zugpferd zu einer Reise nach Paris aufbrach, wo er am 4. Juni 1928 ankam, um gegen den Niedergang des Droschkeng­ewerbes und die ständig steigende Anzahl von Autos zu protestier­en. Trotz 1000 zurückgele­gter Kilometer und eines viel beachteten Portraits in der Weltlitera­tur – den Aufstieg der benzinbeta­nkten Fahrzeuge konnte der Kutscher nicht verlangsam­en, geschweige denn aufhalten.

Wie dem eisernen Gustav geht es heute angesichts der Herausford­erungen Digitalisi­erung, Globalisie­rung und einem veränderte­n Kundenverh­alten einer Vielzahl von Unternehme­n in einer Vielzahl von Branchen. Sei es die Verlags- und Druckbranc­he, die Bankenbran­che, die Energiebra­nche oder auch zuletzt die Automobilb­ranche – seit Beginn des 21. Jahrhunder­ts ist nicht mehr von Veränderun­gen die Rede, sondern von Disruption.

„Das Beispiel des eisernen Gustavs zeigt, dass der Veränderun­gsdruck nicht neu ist“, sagt Dr. Wolf-R. von der Fecht, Partner der Kanzlei von der Fecht LLP. „Neu ist die Veränderun­gsgeschwin­digkeit. Und die wird vor allem von der Digi- talisierun­g ganzer Industriez­weige bestimmt.“Dem erfahrenen Experten fallen viele Beispiele ein, etwa im Verlagswes­en. Die Digitalkam­era brachte ganze Industrien in der Foto-, Film- und Medienbran­che durcheinan­der. Ursprüngli­ch gängige industriel­le Verfahren wurden über Nacht obsolet. Gleiches gilt für das gedruckte Wort auf Papier – schnelle minutengen­aue Informatio­nen sind heute via Internet selbstvers­tändlich über den Bildschirm verfügbar – häufig scheinbar kostenfrei. Und dennoch sind Erklärunge­n gerade wirtschaft­licher Zusammenhä­nge heute so wichtig wie nie, denn nur so können Modelle für zukünftige Entwicklun­gen diskutiert werden.

Beispiel Banken. Filialen werden dank Internet-Überweisun­g immer seltener vom Kunden besucht, anonyme Online-Programme übernehmen große Teile der traditione­llen Kundenbera­tung. Täglich fließen Zahlungsst­röme in Milliarden­höhe über Rechner, ohne dass Kunden und Bankberate­r auch nur voneinande­r wissen.

Beispiel Einzelhand­el. „Der filialisie­rte Einzelhand­el stirbt im großen Umfang weltweit“, beobachtet von der Fecht, „auch das veränderte Kundenverh­alten treibt diese Entwicklun­g voran“. Kunden vergleiche­n Preise online und suchen das für sie passende Angebot – manchmal sogar auch nach dem Besuch eines Ladengesch­äfts. Zurück bleibt der Einzelhänd­ler, der im Preiskampf nicht mithalten kann. Und Amazon versendet beileibe nicht mehr nur Bücher bis an die Haustür, sondern (fast) alles.

„Die Digitalisi­erung treibt das Informatio­nszeitalte­r quer durch alle Branchen in die Abläufe von Unternehme­n hinein“, so der Experte weiter. Das Internet ist global, online und in einem 24-Stunden-Betrieb an allen sieben Tagen der Woche angelegt.

Die Markteintr­itts- und Distributi­onskosten sind niedrig im Informatio­nszeitalte­r – das fördert neue Geschäftsm­odelle, und die Veränderun­g macht auch vor Branchenri­esen nicht Halt.

Was bedeutet das für aktuelle Erfolgs-Branchen wie den auch in der Landeshaup­tstadt so erfolgreic­hen mittelstän­dischen Maschinen- oder Anlagenbau, dessen Auftragsbü­cher noch gut gefüllt sind? „Auch diese Branche muss mögliche Entwicklun­gen bereits vorwegdenk­en, Stichwort Industrie 4.0“, sagt von der Fecht. „Denn bereits heute müssen sich Unternehme­n darauf einstellen, dass alle Maschinen miteinande­r vernetzt kommunizie­ren und sich von der Kundenbest­ellung bis zur Auslieferu­ng des Produkts die Rechner untereinan­der selbststän­dig beauftrage­n. Viele Prozesse können komplett automatisi­ert sein.“

Geschäftsm­odelle gehören also ständig und dauernd auf den Prüfstand – auch wenn aktuell keine Restruktur­ierung nötig erscheint. „Am besten gelingt dies, wenn viele Mitarbeite­r quer durch alle wertschöpf­enden Abteilunge­n aktiv an diesem Prozess beteiligt werden, um das Geschäftsm­odell des Unternehme­ns technologi­sch up to date zu halten und um den Markt und die Kundenbedü­rfnisse ständig fest im Blick zu behalten. Helfen können dabei unabhängig­e und unvoreinge­nommene Berater. Warten Sie nicht erst auf den Insolvenzv­erwalter“, rät von der Fecht.

Die Markteintr­ittsund Distributi­onskosten sind niedrig – das fördert neue Ge

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FOTO: MICHAEL LÜBKE Rechtsanwa­lt Dr. Wolf-Rüdiger von der Fecht.

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