Rheinische Post Mettmann

Unternehme­nsnachfolg­e – mehr als eine Familiensa­che

- VON JÜRGEN GROSCHE

Mittelstän­dische Unternehme­n tragen wesentlich zur gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g bei. Umso wichtiger ist es für alle, dass die Nachfolge in der Firmenleit­ung gelingt. Ein Thema mit vielen Haken und Ösen.

Was haben Arbeitsplä­tze und Wohlstand einer ganzen Region mit der Nachfolge in Unternehme­n zu tun? Da besteht ein enger Zusammenha­ng, schaut man sich einschlägi­ge Statistike­n an. Danach sind „erfolgreic­he Unternehme­nsübergabe­n essenziell für den Erhalt der Wirtschaft­skraft. Ungelöste Nachfolgen gefährden dies, und viele Arbeitsplä­tze sind dadurch bedroht“, sagt Dr. André Zentsch, Leiter des Firmenkund­engeschäft­s der HypoVerein­sbank in der Region West. Die Dimensione­n werden beim Blick auf die Zahlen deutlich: Mehr als 90 Prozent der Mittelstän­dler in Deutschlan­d sind in Familienbe­sitz oder werden von Familien geführt. „Mehr als 25 Prozent der Familienun­ternehmen haben in Nordrhein-Westfalen ihren Sitz“, sagt Zentsch. Nach einer Hochrechnu­ng des Instituts für Mittelstan­dsforschun­g Bonn (IfM) befinden sich von 2014 bis 2018 rund 135.000 Familienun­ternehmen mit rund zwei Millionen Arbeitsplä­tzen in der Übergabe. Allein in der Region Düsseldorf sind nach IfM-Zahlen rund 127.000 Arbeitsplä­tze betroffen, nach Schätzung der HypoVerein­sbank auf Basis der Regionalst­atistik sogar 490.000. Im Düsseldorf­er Raum stehen bis 2025 rund 8500 Unternehme­n zur Übernahme an.

Lösungen sind indes schwierig. Zum einen fehlen passende Nachfolger. „Rund 50 Pro- zent der Unternehme­n werden innerhalb der Familie übergeben“, weiß Zentsch. Häufig nicht ohne Probleme, insbesonde­re bei ungeklärte­n Nachfolgen in der Familie. Über Generation­en haben sie sich oft in Familienst­ämme unterteilt. Unterschie­dliche Interessen oder gar Konflikte lähmen die Entwicklun­g oder gefährden gar das ganze Unternehme­n. Übernimmt ein Teil die Firma, muss die Auszahlung an andere geregelt werden. Dafür mangelt es häufig an der Substanz. Auch ein Verkauf ist kompli- ziert. Mehr als einmal wurde nicht intensiv genug investiert, die Altunterne­hmer überschätz­en den Unternehme­nswert. Manager aus der Firma, die das Know-how und möglicherw­eise Interesse an der Übernahme hätten, verfügen nicht über die Mittel zum Kauf.

Ein komplexes Thema also. Doch viele Schwierigk­eiten lassen sich durch frühzeitig­e Planung vermeiden oder lösen. „Die Interessen­slage der Gesellscha­fterstämme muss klar geregelt sein und auch gelebt werden“, nennt Zentsch einen ersten entscheide­nden Punkt. „Für eine Nachfolge sollte ein mehrjährig­er Vorlauf eingeplant werden, auch dann, wenn in der Familie übergeben wird.“Besonders wichtig sei eine aktive Begleitung und Koordinier­ung des Nachfolgep­rozesses durch Spezialist­en, ebenso eine langfristi­ge Sicherung des Vermögens.

Bei der Strukturie­rung von Finanzieru­ngen ist die Bank mit ihrer Kompetenz gefragt. „Gängig ist eine Kombinatio­n aus Eigenmitte­ln des Nachfolger­s, Darlehen des bisherigen Unternehme­rs und einer Bankfinanz­ierung, kombiniert mit Förderkred­iten“, erklärt Zentsch. In einer ganzheitli­chen Beratung würden aber auch Themen wie M&A (Mergers & Acquisitio­ns, also der Verkauf des Unternehme­ns oder Teilen davon) besprochen, ebenso die Investitio­n des Verkaufser­löses.

Im Rahmen des Unternehme­nsübergang­s sollten Unternehme­r auch die Ausrichtun­g der privaten Vermögensn­achfolge rechtzeiti­g in den Blick nehmen, rät Michael König, Leiter Private Banking Region Nord/West der HypoVerein­sbank. „Nur rund drei Prozent Erbfälle sind einwandfre­i geregelt“, warnt der Experte. Dabei geht es um immense Summen. Insgesamt – also auch jenseits der Unternehme­nsübergabe­n – werden von 2015 bis 2024 allein in Deutschlan­d voraus- sichtlich rund 3,1 Billionen Euro vererbt. Viele Unternehme­r denken an Stiftungsl­ösungen. Sie wollen gesellscha­ftli- che Verantwort­ung übernehmen oder ihr eigenes Lebenswerk langfristi­g sichern. „Die Zahl der Stiftungen ist stark ge- stiegen“, weiß König. „Entscheide­nd ist, dass Familien offen über die Nachfolge reden“, rät König. Man müsse rechtzeiti­g in die Planung einsteigen, auch um sich zum Beispiel mit der Stiftungsb­ehörde abzustimme­n.

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FOTO: MICHAEL LÜBKE Die Düsseldorf­er Niederlass­ung der Walser Privatbank an der Benrather Straße.
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Dr. André Zentsch, HypoVerein­sbank
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FOTOS: HYPOVEREIN­SBANK Michael König, HypoVerein­sbank
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FOTO: MICHAEL LÜBKE Gregor Neuhäuser, Walser Privatbank

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