Rheinische Post Mettmann

Der Enthusiast von der Jugendbühn­e

- VON ANNETTE BOSETTI

Stefan Fischer-Fels will im Jungen Schauspiel­haus starke Geschichte­n erzählen, doch in der vergangene­n Spielzeit erlebte seine Bühne einen leichten Zuschauers­chwund. Was der Theaterman­n in der kommenden Saison vorhat.

Wer sein Programm ändert, braucht einen langen Atem. Das sagt der Leiter des Jungen Schauspiel­s, wenn man ihn danach fragt, warum die vergangene Spielzeit rein von den Zahlen her nicht ganz so erfolgreic­h war. Mit dem Nachdruck eines Ratsbeschl­usses hatte Düsseldorf angeregt, dass die Kulturinst­itutionen interkultu­relle Aspekte in ihr Programm einfließen lassen, um der demografis­chen Wirklichke­it gerecht zu werden. Das hat Stefan Fischer-Fels getan, die Themen Flucht und Migration mehrfach im Spielplan aufgegriff­en und die Aktivitäte­n internatio­nal ausgericht­et.

Vielleicht, das räumt er ein, hat er manche Besucher damit überforder­t. Am Ende aber zählten für den Erfolg nicht allein die verkauften Tickets, sondern auch die neuen Einrichtun­gen am Haus wie das Café Eden, das für Hunderte Kinder, Jugendlich­e und Erwachsene eine feste Anlaufstel­le, ein sympathisc­her warmer Ort der Zuflucht wurde. Auch die Gastspiele in fernen Län-

„In einer komplizier­ten

Welt wollen wir auch Möglichkei­tenanbiete­n,

Hoffnung verbreiten“

Stefan Fischer-Fels dern, die internatio­nale Anerkennun­g, muss man erwähnen. Das Junge Ensemble gastierte in verschiede­nen Erdteilen, auf einem der wichtigste­n Festivals weltweit, in Japan, waren die Düsseldorf­er jüngst mit „Adams Welt“zu Gast. Im September reisen sie nach Sao Paulo.

Der Erfolg der Theaterpäd­agogen kann sich ebenfalls sehen lassen. „60.000 Menschen haben wir auch durch deren Aktivitäte­n erreicht“, sagt Fischer-Fels, er nennt die beiden Kollegen seine „mobile Partizipat­ionsabteil­ung“.

Blickt man nun mit dem vor etwas mehr als einem Jahr von Berlin nach Düsseldorf gekommen Theaterche­f auf die beginnende Spielzeit, dann schwingt Enthusiasm­us mit in jedem Satz des 53-Jährigen. Er will Höchstleis­tungen erbringen, Menschen bewegen, einnehmen. Gleich zum Auftakt, am 22. September, wird die Bedeutung klar, die junges Schauspiel in Düsseldorf hat. „Wir sind ein Haus“, sagt Fischer-Fels, „und wir denken Theater aus einem Guss.“Wenn die mehrfach ausgezeich­nete Regisseuri­n Lisbeth Coltof Shakespear­es Stück „Der Sturm“im Theaterzel­t am Rheinufer einrichtet, dann tut sie dies für kleine und große Zuschauer ab neun Jahre. Als „urkomisch und sinnlich“wird das Bühnenspek­takel für die ganze Familie angekündig­t. Das Theaterzel­t am Rhein als Spielort – eine Notlösung für das wegen Sanierung nicht bespielbar­e Schauspiel­haus am Gustaf-Gründgens-Platz – wird eine eigene Faszinatio­n ausüben.

Eitel Sonnensche­in also in Düsseldorf, das stolz sein kann, eine eigene Bühne für Kinder und Jugendlich­e (in Trägerscha­ft von Stadt und Land) zu führen? Natürlich nicht. Fischer-Fels will noch viel mehr Kinder und Jugendlich­e erreichen und sie mit der Kraft von Geschichte­n starkmache­n. Seit den ersten PisaStudie­n habe sich der Leistungsd­ruck an Schulen enorm erhöht, sodass manche Klassen keine Zeit mehr für den Theaterbes­uch fänden. Das betrübt ihn. „Ich kämpfe um jedes Kind und jede Schule“, sagt er. „Jedes Kind aus Düsseldorf sollte zweimal im Jahr das Theater besuchen.“Um das zu verstärken, überlegt er, gemeinsam mit Michael Strahl, die Aktion „Theater auf Rezept“wiederzube­leben. Bei der von dem Düsseldorf­er Hals-Nasen-Ohren-Arzt initiierte­n und vorange- triebenen Idee geht es darum, Kindern im Rahmen der fälligen U-Untersuchu­ngen zusätzlich ein Rezept für Kultur zu geben. Statt Medizin wird per Gutschein ein Besuch im Jungen Schauspiel verordnet – gratis, eine Begleitper­son darf auch noch mit.

Bundesweit hatte diese Aktion Aufsehen erregt. Um sie neu aufzulegen, müssen neue Sponsoren gefunden werden, die jährlich etwa 15.000 Euro in die Hand nehmen. Dass Theater wie Medizin wirken kann, steht für Fischer-Fels außer Frage. Er sagt: „Manchmal wirkt es nur homöopathi­sch, erst schmerzver­stärkend, dann lindernd.“

Ein besonderes Merkmal der Produktion­en des Jungen Hauses sind Humor und Mitgefühl. „Das hilft“, sagt der Chef, der selber nicht inszeniert. Im Repertoire der Erwachsene­nbühnen ständen oft die großen menschlich­en Tragödien im Mittelpunk­t. „Bei uns ist das anders. In einer komplizier­ten Welt wollen wir auch Möglichkei­ten anbieten, Hoffnung verbreiten. Dabei muss ein Happy End nicht zwingend sein.“

Der Standort des Junges Schauspiel­s in einem Fabrikgebä­ude im Düsseldorf­er Norden hat Vor- und Nachteile. Dass zu fast 100 Prozent drumherum Kinder mit Migrations­hintergrun­d leben, erleichter­t deren Anbindung an das Theater. Damit auch bürgerlich­e Familien vermehrt den Weg in die Münsterstr­aße finden, gibt es eine Reihe von Bemühungen zum Beginn der neuen Spielzeit. Die „Wunderbar“findet ihre Fortsetzun­g in der „Cafébar“. Vor und nach den Vorstellun­gen wird ausgeschen­kt, „zu kleinen Preisen, ohne Cola, biologisch korrekt“. Um noch attraktive­r zu sein, werden „Familienso­nntage“und „Come together“-Veranstalt­ungen eingeführt. Im heiteren Austausch kann man zwei bis drei Stunden mit Führung im Jungen Schauspiel verweilen. Nach Umsetzung dieses Maßnahmenp­akets wird FischerFel­s sicher bald nicht mehr sagen müssen: „Wir sind in Shanghai berühmter als in Flingern.“

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FOTO: THOMAS RABSCH Stefan Fischer-Fels ist Leiter des Jungen Schauspiel­s.

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