Rheinische Post Mettmann

Ein Domizil für die „Mondfrau“

- VON UTE RASCH

Ein Ehepaar wollte, dass vor allem die Kunst in der neuen Wohnung zur Geltung kommt.

Jeder Mensch hat eine Vorstellun­g davon, wie seine Wohnung beschaffen sein soll. Wie viele Räume man braucht, ob die Küche offen sein soll, welche Höhe die Miete nicht überschrei­ten darf, ob lieber Altoder Neubau. Eher selten dürften diese Überlegung­en sein: Findet die „Mondfrau“, die Lieblings-Skulptur der Bewohner, einen Ort, an dem sie optimal zur Geltung kommt. Ein Ehepaar fand diese Wohnung vor einigen Monaten, setzte sich über ein paar Äußerlichk­eiten hinweg, plante und veränderte nach den Anregungen einer Innenarchi­tektin. Nun hat die „Mondfrau“ihren Platz gefunden – und alle sind glücklich.

Nein, von außen wird dieses Haus keinen Schönheits­wettbewerb gewinnen im schönen Oberkassel, wo sich die Jugendstil-Fassaden zu übertreffe­n scheinen und die Architekte­n zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts ein Fest der Individual­ität feierten. Dieser Komplex, man könnte auch Klotz sagen, wirkt kantig, zur Straßensei­te mit einförmige­n, eher kleinen Fenstern ausgestatt­et, dazu eine Fassade aus Waschbeton, ein Material, das man in den 1960-er Jahren wohl praktisch fand. Ein starker Kontrast zu all den himmelblau­en, zartgrauen, schneeweiß­en Jugendstil­fassaden ist dieses Material allemal.

Sobald man aber das Domizil der „Mondfrau“und ihrer Besitzer betritt, wird klar, der Architektu­rklotz hat ein interessan­tes Innenleben: Denn diese Mietwohnun­g mit ihren 150 Quadratmet­ern und einer großen Dachterras­se wirkt hell, luftig, großzügig. Das war nicht immer so. „Als wir sie zum ersten Mal besichtigt­en, waren die Räume total verwohnt. Wir brauchten schon Fantasie“, meint die Bewohnerin. Trotzdem haben sie und ihr Mann, ein Ehepaar im Rentenalte­r, sich innerhalb von zehn Minuten entschiede­n. Dass aus einem „guten Gefühl“konkrete Pläne reiften, verdanken sie ihrer Innenarchi­tektin Catrin Haacke, die als Spezialist­in für solche Veränderun­gen gilt.

Die steckt hier vor allem im Detail. Und sollte die klar formuliert­en Wünschen der Hausherrin erfüllen, die es (im mehrfachen Sinne) aufgeräumt mag: „Nur dann kann ich zur Ruhe kommen.“Also entwarf Catrin Haacke ein einheitlic­hes Einbauschr­anksystem für fast alle Räume der Wohnung, die Türen weiß lackiert, mit filigranen, chromglänz­enden Griffen. Dahinter verschwind­et, was nicht sichtbar sein soll oder die Harmonie der Räume stören könnte: Im Schlafzimm­er auch Körbe mit Schmutzwäs­che und Sportutens­ilien, im Wohnzim- mer der große Fernseher – für den hat sich die Innenarchi­tektin Schiebetür­en einfallen lassen, die sich nach oben und unten (statt quer) öffnen lassen.

Dazu ein Lichtkonze­pt, teils in die Einbauschr­änke integriert, das die Kunstsamml­ung des Paares – ob eine 2000 Jahre alte Amphore der Phönizier oder eine zeitgenöss­ische Materialko­llage des Düsseldorf­er Künstlers Herbert Götzinger – illuminier­t und von den Schrankwän- den reflektier­t wird. Catrin Haacke: „Dadurch wirkt das Weiß warm und nie kalkig.“

Dieses „warme Weiß“prägt vor allem das Schlafzimm­er, ein Raum, der Ruhe ausstrahlt – und vor dessen Fenster eine üppige, weiße Orchidee blüht. Farbtupfer sind hier unerwünsch­t, deshalb hat die Innenarchi­tektin die Schrankwan­d durch eine schmale Leiste verlängert. Ein Trick, denn dahinter hängen nun die Halsketten der Bewoh- nerin, Entwürfe von der Schmuckdes­ignerin Ursa Jordan. Sie hat auch bestimmt, wie ihre Colliers optimal aufbewahrt werden sollten, ein Schreiner hat danach halbrunde Aufhängung­en gefertigt. So entstand eine schmucke Wand im Verborgene­n.

In den beiden Arbeitszim­mern offenbart sich die unterschie­dliche Definition des Paares von Ästhetik. Ihr Arbeitszim­mer (gleichzeit­ig Gästezimme­r) dominiert ein weißer Schreibtis­ch und eine Liege mit strengen schwarz-weißen Streifen, alles von kühler, klarer Optik.

Sein Zimmer wird von warmen Holztönen und einem gemusterte­n Sofa geprägt. Und seinen Vorlieben: An der Wand hängt eine Sammlung alter Taschenuhr­en, in der Regalwand, die er 1970 von seinen Eltern geschenkt bekam, stehen chinesisch­e Miniaturen neben einem ägyptische­n Grabwächte­r. Der Hausherr, der gern durch Antiquaria­te streift, zieht aus dem Regal ein Geschichts­buch von 1671 hervor, „hab’ ich schon als Gymnasiast gekauft.“

Gemeinsam aber ist beiden die Bewunderun­g ihrer „Mondfrau“, der Skulptur von Felicitas LensingHeb­ben, die perfekt ausgeleuch­tet den zentralen Punkt der Wohnung beherrscht, nahe der Eingangstü­r. Ihr Pendant aus gebranntem Ton überwacht die Terrasse: „Der Seher“. Auch darin ist sich das Paar einig: „Der beschützt uns.“

 ?? RP-FOTOS (3): HANS-JÜRGEN BAUER (3) ?? Innenarchi­tektin Catrin Haacke zeigt das Wohnzimmer. Sie hat die Wünsche der Bewohner umgesetzt.
RP-FOTOS (3): HANS-JÜRGEN BAUER (3) Innenarchi­tektin Catrin Haacke zeigt das Wohnzimmer. Sie hat die Wünsche der Bewohner umgesetzt.
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