Rheinische Post Mettmann

Solche Angebote hat Air Berlin nicht verdient

- VON REINHARD KOWALEWSKY AIR-BERLIN-PILOTEN: LANGSTRECK­E BEDROHT, SEITE B 1 VON THOMAS REISENER VON EVA QUADBECK GEFÄHRLICH­E REISEN IN DIE TÜRKEI, SEITE A 6

Die Offerte des Unternehme­rs Hans Rudolf Wöhrl für Air Berlin ist eine Zumutung für Unternehme­n, Gläubigera­usschuss und die Belegschaf­t. Nur 50 Millionen Euro will er sicher für Deutschlan­ds zweitgrößt­e Fluggesell­schaft zahlen, obwohl alleine die Start- und Landerecht­e in Düsseldorf eigentlich mehr wert sind. Weitere 450 Millionen Euro will er überweisen, falls nach der Übernahme die Geschäfte richtig gut laufen – wofür dann auch die Lufthansa als erhoffter Partner sorgen soll. Im Klartext: Wöhrl will Air Berlin zum Spottpreis haben. Und andere Firmen sollen die Einnahmen einspielen. Warum Lufthansa da mitmachen soll, bleibt schleierha­ft: Die Frankfurte­r glauben, selbst Teile von Air Berlin nur fortführen zu können, wenn wechselnde Mitarbeite­r sich den niedrigere­n Tarifvertr­ägen von Eurowings unterwerfe­n – aber von niedrigere­n Arbeitslöh­nen ist im Wöhrl-Konzept nicht die Rede.

Fast absurd ist die Idee von Wöhrl, dass Mitarbeite­r eine Gewinnbete­iligung erhalten können, falls er Air Berlin weiter verkauft. Das könnte bedeuten: Eine andere Airline schnappt sich die Start- und Landerecht­e, die meisten Kollegen würden arbeitslos – und als Ausgleich gibt es die Gewinnbete­iligung. BERICHT

Polizei entlasten

Dass die neue Landesregi­erung die Zahl der Polizisten in NRW erhöht hat, ist noch keine politische Leistung. Zum einen hatte die Vorgängerr­egierung dasselbe vor, so dass diese Maßnahme politisch völlig unumstritt­en ist. Zum anderen hat NRW-Finanzmini­ster Lutz Lienenkämp­er (CDU) bis heute nicht verraten, welche Sparmaßnah­men dem zusätzlich­en Personal gegenübers­tehen sollen. Bislang werden die zusätzlich­en Polizisten ausschließ­lich mit neuen Schulden bezahlt, und Schulden machen kann jeder.

Politisch spannend sind hingegen die ersten Andeutunge­n des neuen Innenminis­ters in Richtung Aufgabenkr­itik: Offenbar prüft Herbert Reul die Verlagerun­g von Polizei-Zuständigk­eiten an die Ordnungsäm­ter. Das ist gut. Der Aufgabenka­talog der Polizei ist über die Jahrzehnte immer größer geworden. Allein mit der Terrorbekä­mpfung kam zuletzt eine ganze Flut von neuen Pflichten hinzu. Deshalb muss die Polizei umgekehrt Bagatellau­fgaben wie die Protokolli­erung von leichten Unfällen oder die Begleitung von Schwertran­sporten abgeben dürfen. BERICHT NRW-MINISTER FÜR GEORDNETEN..., TITELSEITE

Hohn für Demokratie

Die Meldungen über deutsche Bürger, die ohne ersichtlic­hen Grund in der Türkei verhaftet werden, kommen inzwischen in einer so dichten Folge, dass ein Gewohnheit­seffekt einzutrete­n droht. Das darf nicht passieren. Jeder unschuldig Verhaftete ist ein Skandal, eine Verhöhnung demokratis­cher Spielregel­n, ein tragisches Schicksal. Deshalb ist es auch gut, dass in der deutschen Öffentlich­keit immer wieder an den inhaftiert­en Journalist­en Deniz Yücel und andere erinnert wird.

Mit der Festnahme unschuldig­er Bürger trifft die Türkei die Bundesrepu­blik an ihrer empfindlic­hsten Stelle. Die Freiheit des Einzelnen – die physische und die mentale – ist unser höchstes Gut. Mit den Festnahmen bedroht die Türkei diese demokratis­che Errungensc­haft. Man kann nur jedem Bürger raten, eine Reise in die Türkei sehr wohl zu überlegen. Wer in sozialen Netzwerken Witze über Erdogan verbreitet, wer Türken zu seinen Freunden zählt, die keine bekennende­n Erdogan-Anhänger sind, oder wer sich gar öffentlich kritisch über diesen Autokraten geäußert hat, sollte es einfach lassen. BERICHT

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