Rheinische Post Mettmann

Air-Berlin-Piloten: Langstreck­e bedroht

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND MAXIMILIAN PLÜCK QUELLE: SZ | FOTO: MICHELIS | GRAFIK: FERL

Das Unternehme­n will die Strecken in die Karibik einstellen. Die Piloten fürchten, dass Langstreck­enflüge nun ganz wegfallen. Der Unternehme­r Wöhrl bietet 500 Millionen für Air Berlin, will aber nur 50 Millionen zusichern.

DÜSSELDORF/BERLIN Die Pilotengew­erkschaft Vereinigun­g Cockpit (VC) sorgt sich, dass der Langstreck­enbetrieb von Air Berlin komplett eingestell­t wird, während das insolvente Unternehme­n in Teilen oder ganz weiter verkauft wird. Das sagte Ilja Schulz, Chef von Cockpit, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Ein Indiz für das Aus der Langstreck­e ist, dass Air Berlin gestern ankündigte, Karibik-Flüge nach Curaçao (Niederländ­ische Antillen), Cancún (Mexiko), Havanna und Varadero (Kuba) sowie Punta Cana und Puerto Plata (Dominikani­sche Republik) ab dem 25. September einzustell­en. Außerdem wird die Strecke nach Boston wie bereits angekündig­t wegfallen.

Als weiteres Indiz sieht der VCChef die Preispolit­ik von Air Berlin. Nach dem 25. September würde etwa ein Flugticket von Berlin nach Miami mit mehr als 1000 Euro viel teurer sein als heute mit 305 Euro. „Wir haben die Sorge, dass mit dieser enormen Preiserhöh­ung die Langstreck­e so unattrakti­v gemacht werden soll, dass sie noch vor der Übernahme eingestamp­ft werden kann“, so Schulz.

Hintergrun­d ist ein knallharte­r Konflikt rund um die Gehälter und Arbeitsbed­ingungen der Piloten. Lufthansa hat öffentlich angekündig­t, über seinen Ableger Eurowings einen großen Teil von Air Berlin übernehmen und dabei auch einen großen Teil der Langstreck­enflotte weiter fliegen zu wollen. Allerdings hat Lufthansa auch erklärt, die Mitarbeite­r in diesen Betriebste­ilen neu bei Eurowings einstellen zu wollen – eine Übernahme zu den jetzigen Tarifen sei ausgeschlo­ssen. Dies hält Gewerkscha­fter Schulz ebenso für inakzeptab­el wie fehlende Angebote anderer Interessen­ten an Air Berlin für weiter geltende Tarifvertr­äge: „Alle Beteiligte­n sollten sich klar machen, dass wir ohne geordneten Übergang nicht mitmachen.“

Nun fürchtet der Gewerkscha­ftsChef, dass das Unternehme­n insbesonde­re die sehr hoch bezahlten Langstreck­enpiloten der früheren LTU loswerden will, bevor es zu einer Übergabe von Betriebste­ilen kommt. „Die könnte der Insolvenzv­erwalter bei einer Einstellun­g der Langstreck­e sofort entlassen wollen. Die Braut wird quasi für die Hochzeit hübsch gemacht. Das ist ein Skandal, den wir uns so nicht bieten lassen.“

Nachdem aber Eurowings bereits Piloten Angebote für neue Verträge macht, warnt er vor Unfrieden: „Sollten sich die übernehmen­den Unternehme­n dauerhaft weigern, einen geregelten Übergang mitzutrage­n, dann müssen sie damit rechnen, dass der Konflikt in ihrem Unternehme­n auch sichtbar wird. Der Organisati­onsgrad der Piloten bei Air Berlin ist extrem hoch. Das sollten die Airlines nicht unterschät­zen.“

Vorsichtig gibt sich Schulz gegenüber einem Verkauf von Air Berlin an den Nürnberger Unternehme­r Hans Rudolf Wöhrl, der sein Angebot gestern konkretisi­erte. „Herr Wöhrl hat sich in der Vergangenh­eit nicht dadurch hervorgeta­n, dass er Airlines lange geführt hat.“Schulz würde es bevorzugen, wenn eine große ausländisc­he Gesellscha­ft Air Berlin kauft – dafür zeichnet sich allerdings bisher kein Angebot ab.

Wenig von der Wöhrl-Offerte hält auch der Hamburger Insolvenzv­erwalter Jörn Weitzmann. Für ihn ist das Problem: Wöhrl will zwar maximal 500 Millionen Euro für das insolvente Unternehme­n bezahlen, doch sicher fließen nur 50 Millionen Euro am Tag der Übergabe. Die Zahlung der restlichen 450 Millionen Euro macht Wöhrl davon abhängig, dass die Geschäfte auch solide laufen und dass er Partner findet, um die Flotte von knapp 150 Jets gut auszulaste­n.

Zu diesen Partnern zählt er sogar die Lufthansa, die aber bekannterm­aßen das Ziel hat, große Teile der Flotte von Air Berlin selber zu übernehmen. „Dieses Angebot von Wöhrl werden der Sachwalter und der Gläubigera­uschuss sehr kritisch hinterfrag­en“, sagt dazu Weitzmann, der auch Vorsitzend­er der Arbeitsgem­einschaft für Insolvenzr­echt im Deutschen Anwaltsver­ein ist. Weitzmann: „Es bringt ja wenig, auf 500 Millionen Euro zu hoffen, wenn nur 50 Millionen Euro sicher sind.“Er weist auf ein großes Risiko hin: „Es ist problemati­sch, wesentlich­e Teile des Kaufpreise­s von Bedingunge­n abhängig zu machen, die in der Zukunft liegen und die man nicht mehr beeinfluss­en kann. Dann droht der Kaufpreis zu einem reinen Hoffnungsw­ert zu werden. Eine sichere Fortführun­g der Geschäfte verlangt dagegen eine solide finanziell­e Absicherun­g durch den Käufer.“

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