Rheinische Post Mettmann

SPD und Union stürzen ab, AfD bei 13 Prozent, FDP wieder zurück, Grüne unerwartet stark

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und damit ihr schlechtes­tes Ergebnis überhaupt einfuhr, verzeichne­ten die Unionspart­eien mit 33 Prozent einen verlustrei­chen Sieg: Sie verloren mehr als acht Prozentpun­kte gegenüber 2013. Enttäuscht zeigte sich vor allem CSU-Chef Horst Seehofer: Seine Partei büßte in Bayern mehr als zehn Prozentpun­kte ein, während die AfD auch dort auf mehr als zwölf Prozent kam. Seehofer kündigte an, die „offene rechte Flanke“zu schließen, und zwar „mit klarer Kante und klaren politische­n Positionen“.

Die AfD kam auf 13 Prozent, nachdem sie 2013 mit 4,7 Prozent knapp den Einzug ins Parlament verpasst hatte. Die Liberalen, die vor vier Jahren ebenfalls an der Fünf-Prozent-Hürde gescheiter­t waren, erzielten mehr als zehn Prozent. Die Linke verbessert­e sich leicht von 8,6 auf etwa neun Prozent, die Grünen von 8,4 auf ebenfalls etwa neun Prozent. Die Wahlbeteil­igung lag bei 75 Prozent, 2013 hatten nur 71,5 Prozent der Wahlberech­tigten abgestimmt.

AfD-Spitzenkan­didat Alexander Gauland richtete eine Kampfansag­e an die künftige Bundesregi­erung: „Sie kann sich warm anziehen. Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückhole­n.“Der Thüringer AfD-Landesvors­itzende Björn Höcke nannte das Ergebnis historisch: „Wir werden eine lebendige Demokratie erleben durch die AfD.“Die französisc­he Rechtspopu­listin Marine Le Pen nannte das Wahlergebn­is „ein neues Symbol für das Erwachen der europäisch­en Völker“.

Im Ruhrgebiet hat die AfD im Vergleich zur Landtagswa­hl Stimmen hinzugewon­nen. So konnte sich die Partei in Gelsenkirc­hen und in Duisburg um jeweils gut 2,5 Prozentpun­kte verbessern. In Sachsen sah es gestern Abend zeitweilig so aus, als könnte die AfD stärkste Kraft vor der CDU werden.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die ihr Direktmand­at deutlich verteidigt­e, erklärte, es sei keine Selbstvers­tändlichke­it, nach zwölf Jahren Regierungs­verantwort­ung wieder als stärkste Kraft aus der Wahl hervorzuge­hen. Die Union habe nun den Auftrag, eine Regierung zu bilden. Merkel kündigte Gespräche mit „aller Kraft und mit aller Ruhe“an. Zur AfD-Forderung nach einem parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss zu ihrer Flücht- lingspolit­ik erklärte die Kanzlerin, sie scheue ein solches Gremium nicht. „Wir müssen nur aufpassen, dass wir noch genug Zeit haben, uns um die Zukunft zu kümmern.“

Deutliche Worte fand CDU-Vize und NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet, der mit einer schwierige­n Regierungs­bildung rechnet: „Für NRW ist unabdingba­r, dass jede neue Bundesregi­erung die Zukunft des Industrie-und Energielan­des sichert. Hunderttau­sende Arbeitsplä­tze sind wichtiger als Koalitions­taktik“, sagte Laschet.

Die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) hält eine Koalition aus Union, FDP und Grünen für durchaus machbar. FDP und Grüne zeigten sich gestern Abend prinzipiel­l gesprächsb­ereit, sahen aber zugleich große Hürden. „Da sind Gemeinsamk­eiten, aber auch Entfernung­en sowohl zu CDU/CSU als auch zu den Grünen“, sagte FDPChef Christian Lindner. „Deshalb empfehle ich, den Ball flach zu halten.“Dem Vorsitzend­en der SPD, Martin Schulz, der Jamaika als Koalition der Lähmung bezeichnet hatte, hielt Lindner vor: „Das heißt, Sie nehmen eine schlechte Regie- rung aus Ihrer Sicht in Kauf. Eine solche Haltung, für die hätte sich Helmut Schmidt geschämt.“Grünen-Spitzenkan­didatin Katrin Göring-Eckardt bekräftigt­e: „Wir werden kein einfacher Partner sein.“

Schulz sprach von einem bitteren Tag für die Sozialdemo­kratie. Der klare Wählerauft­rag an die SPD sei die Opposition. Schulz kündigte an, Parteivors­itzender zu bleiben und die SPD in die Opposition zu führen. Auch Parteivize Manuela Schwesig sprach sich dafür aus. Doch auch wenn Schulz bleibt, verschiebt sich das Machtzentr­um in der SPD in Richtung von Andrea Nahles. Die bisherige Arbeitsmin­isterin und Vertreteri­n des linken Parteiflüg­els wird heute von Schulz als neue Fraktionsc­hefin vorgeschla­gen, wie unsere Redaktion aus Partei- und Fraktionsk­reisen erfuhr.

Nach Ansicht von Spitzenkan­didatin Sahra Wagenknech­t hätte sich die Linke mehr der Flüchtling­sthematik widmen müssen. „Am Ende hat man der AfD überlassen, bestimmte Dinge anzusprech­en, von denen die Menschen einfach erleben, dass sie so sind.“

 ?? FOTO: GETTY ?? Die SPD-Führung räumt ihre schwere Niederlage bei der Bundestags­wahl im Berliner Willy-Brandt-Haus ein (v.l.): Manuela Schwesig, Malu Dreyer, Martin Schulz, Doris Ahnen, Andrea Nahles und Thorsten Schäfer-Gümbel.
FOTO: GETTY Die SPD-Führung räumt ihre schwere Niederlage bei der Bundestags­wahl im Berliner Willy-Brandt-Haus ein (v.l.): Manuela Schwesig, Malu Dreyer, Martin Schulz, Doris Ahnen, Andrea Nahles und Thorsten Schäfer-Gümbel.
 ?? FOTO: GETTY ?? Eine enttäuscht­e CDU-Führungsri­ege nach dem Wahlergebn­is in der Berliner Parteizent­rale (v.l.): Ursula von der Leyen, Jens Spahn, Peter Tauber, Karl-Josef Laumann, Angela Merkel, Klaus Schüler, Volker Kauder und Günther Oettinger
FOTO: GETTY Eine enttäuscht­e CDU-Führungsri­ege nach dem Wahlergebn­is in der Berliner Parteizent­rale (v.l.): Ursula von der Leyen, Jens Spahn, Peter Tauber, Karl-Josef Laumann, Angela Merkel, Klaus Schüler, Volker Kauder und Günther Oettinger

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