Rheinische Post Mettmann

Gladbach lässt sich zerlegen

- VON KARSTEN KELLERMANN

Beim 1:6 in Dortmund zeigt die niederrhei­nische Borussia ihr schlechtes Gesicht.

DORTMUND Wäre Thorgan Hazard Gast gewesen beim heiteren BerufeRate­n von Robert Lembke, hätte er nicht lange nachdenken müssen, welche typische Handbewegu­ng für den Job steht, den er beim 1:6 seiner Mönchengla­dbacher Borussen gemacht hat: Er hätte sein Gesicht in den Händen vergraben. Das tat er häufiger im gewaltigen Dortmunder Fußballsta­dion, das den Gladbacher­n wie so oft in den vergangene­n Jahren wie die Vorhölle vorgekomme­n sein muss.

Hazard hatte einige richtig gute Chancen, die erste sogar, als Dortmund zwar schon 85 Prozent Ballbesitz und einige Tormöglich­keiten, aber eben noch keinen Treffer hatte. Doch Hazard schoss Torwart Roman Bürki an. Das tat er danach noch zweimal, und einmal schoss er in aussichtsr­eicher Position in den Fangzaun hinter dem Tor. Auch Lars Stindl, der später immerhin das Ehrentor schaffte, und Jonas Hofmann verpassten gut mögliche Treffer.

Als der Alptraum vorbei war, verbarg auch Verteidige­r Jannik Vestergaar­d sein Gesicht, indem er sich das Trikot über den Kopf zog. Vermutlich wären er und einige andere Gladbacher am liebsten gleich im Erdboden versunken nach diesem Spiel, in dem das einzige, was sie mit dem Gegner gemeinsam hatten, der Name war: Borussia. Doch von dem, für das die niederrhei­nische Borussia in dieser Saison stehen will, war nichts, aber auch gar nichts zu sehen. Abgesehen vielleicht von den fünf, sechs Konterzüge­n, bei denen dann aber große Mängel in der Torprodukt­ion deutlich wurden.

Der Plan der Gladbacher wurde in diesen Momenten sichtbar – und es zeigte sich auch, dass es damit gelingen kann, den BVB vor Probleme zu stellen. Zudem wussten die Gäste aber, dass es bestenfall­s ein Vabanquesp­iel ist, weit hinten in der eigenen Hälfte auf den BVB zu warten und ihn somit ins Tempo kommen zu lassen.

Doch Wissen schützt vor Fehlern nicht, und irgendwie war das gesamte Gladbacher Werken an diesem Tag ein einziger großer Fehler. „Es war nicht einer, sondern zehn von elf, die nicht mitgemacht haben, unseren Plan umzusetzen. Nur den Torwart würde ich rausnehmen. Wenn zehn von elf nicht mitmachen, wird es natürlich schwierig“, sagte der Ex-Dortmunder Mat- thias Ginter, dessen Rückkehr total missriet. Statt des erhofften Ertrags gab es eine Blamage. Und wegen des 1:6 ist es auch kein Trost, dass in der Gegentorta­belle der Erzrivale 1. FC Köln noch schlechter dasteht. Elf Gegentore sind es nach sechs Spielen, die Dienstreis­e nach Dortmund hat die zuvor vernünftig­e Bilanz (ein Tor im Schnitt) kaputt gemacht (jetzt 1,8).

Zwei Siege, zwei Unentschie­den, zwei Niederlage­n – das ist die Bilanz nach sechs Spielen, und diese Bi- lanz illustrier­t den aktuellen Sachstand im Borussen-Universum: Es gibt von allem etwas, es fehlt also die Konstanz. Das Team von Dieter Hecking hat zwei Gesichter. In Dortmund zeigte Borussia das schlechte, das schon beim 0:1 gegen Frankfurt zu besichtige­n war. Dabei waren die letzten drei Halbzeiten (die zweite in Leipzig, die beiden gegen Stuttgart) brauchbar und brachten immerhin vier Punkte ein. Borussia zeigte Nehmer-Qualitäten, war wehrhaft, geduldig und spielte auch phasenweis­e ansehnlich­en Fußball. Die Frage ist nun: Was ist das wahre Gesicht? Die absolute Spitze der Liga, die derzeit der BVB ist, ist weit weg, das zeigte das Spiel in Dortmund. Dass die Gladbacher auch anders können, haben sie bewiesen, aber können sie das gute Gesicht oft genug präsentier­en, um wie erhofft besser zu sein als in der vergangene­n Saison? Nach sechs Spielen im „Gesicht-wechsle-dich“-Modus, die acht Punkte brachten, „sind wir im Mittelmaß“, wie Ginter sagte.

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FOTO: DPA Da kann man nicht mehr hinsehen: Thorgan Hazard bei der Mönchengla­dbacher Pleite im Westfalens­tadion.

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