Rheinische Post Mettmann

Reise in die Romantik

- VON MATTHIAS GRASS

Das B.C. KoekkoekHa­us zeigt Maler der Düsseldorf­er Schule; und das romantisch­e Schloss Moyland lädt mit „Erdäpfelze­it“zur herbstlich­en Auseinande­rsetzung mit der Kartoffel.

KREIS KLEVE Hoch steht der Mond überm Drachenfel­s und schaut mit kühl-milchigem Blick auf das ausgelasse­ne Treiben mitten auf dem Strom: Ein schmales, vollbesetz­tes Boot überquert den Rhein bei Königswint­er. Übermütig stehen zwei Männer an der Bootskante, schwenken den Hut im Takt zur Laute und reichen Wein. Halbwegs entspannt im engen Mieder wirken die hochgeschn­ürten Damen, eine lauscht der Musik, eine andere lässt träumerisc­h ihre Finger durchs nächtliche Wasser spielen. Ein Herr trägt Zylinder und kann die Finger nicht von der Angebetete­n lassen, hat den Arm um sie gelegt und hält ihre Hand. Derweil legen sich Ruderer und Steuermann ins Zeug, das Boot heil über den Fluss zu bekommen.

Um 1879 malte August von Wille die detailreic­he, bis heute so lebendige Überfahrt über den Rhein. Der Strom und seine romantisch­e Landschaft inspiriert­e im 19. Jahrhunder­t Generation­en von Künstlern aus ganz Europa – Engländer, Niederländ­er und nicht zuletzt die Düsseldorf­er Malerschul­e, zu der auch der hessische Adelige von Wille gehörte. Im Klever Museum B.C. Koekkoek-Haus treffen jetzt die Bilder dieser Romantiker, vornehmlic­h der Düsseldorf­er Schule, auf die Bilder ihres niederländ­ischen Zeitgenoss­en, den Landschaft­maler Barend Cornelis Koekkoek. Der hatte schon zu Lebzeiten kritisiert, dass die Düsseldorf­er vornehmlic­h beim harten, eher kalten Morgenlich­t malten, wogegen die Niederländ­er die nachmittäg­lich warme Stimmung für ihre Naturbilde­r bevorzugte­n.

Das lässt sich in der Ausstellun­g im Haus Koekkoek in Kleve ablesen. In dem spätklassi­zistischen Stadtpalai­s, in dem der Maler nach 1848 residierte und das bis heute diese Zeit atmet, hat Ursula Geisselbre­cht-Capecki, die künstleris­che Leiterin des Hauses, Werke aus der Bonner Privatsamm­lung RheinRoman­tik mit „ihren“Koekkoeks konfrontie­rt. Da schwelgt die Natur unterm hohen Himmel, wird der Mensch klein angesichts seiner Umwelt, findet Schutz unter uralten Eichen, die knorrig ihre Äste gegen aufziehend­e Stürme stemmen oder schattensp­endend den Blick auf komponiert­e Rheinlands­chaften mit Felsen und Fluss freigeben.

Anders der Blick von Rheinbreit­bach auf das Siebengebi­rge von Carl Friedrich Lessing (um 1843). Hier reduziert Lessing die Landschaft radikal im Dämmerlich­t, das nur noch schwach den Horizont in einen hellrosaro­ten Lichtstrei­f taucht. Er konzentrie­rt sich auf dem kleinen Bild nicht auf die Details einer Naturdarst­ellung, sondern setzt auf die Stimmung. Wobei Lessing sonst wie Koekkoek in seinen Bildern den deutschen Wald und die wilden Felsgegend­en des Harzes und der Eifel so poetisch in den Mittelpunk­t rückte. 34 Gemälde aus der Sammlung RheinRoman­tik, spontane Zeichnunge­n, Skizzenbüc­her versammeln sich im Haus Koekkoek mit Bildern der Niederländ­er zu einer Romantik-Reise des 19. Jahrhunder­ts durchs Rhein- und Ahrtal.

Die Reise nach Kleve ins Haus Koekkoek lädt auch zur Station im Museum Schloss Moyland ein. Hinter dessen Zinnen heißt es „Erdäpfelze­it“, in der sich die französisc­he Malerin Barbara Schroeder passend zum Herbst mit der niederrhei­nischen Kartoffel befasst. Dazu schuf sie 365 Arbeiten, alle im gleichen Format von rund 18 mal 24 Zentimeter. Ein Jahr jeden Tag ein Werk. Malerei, Objektkäst­en, Fotografie und als letztes Teil des Ganzen der Katalog, auch im Format von 18 mal 24 Zentimeter. Sie alle fügen sich zu einer großen, wuchtig-beeindru- ckenden Installati­on die vom Werden und Vergehen des Grundnahru­ngsmittel erzählt – so in Bordeaux als mächtiges Patchwork aus Materialie­n und Farben gezeigt: Malerei, Gouachen, Gussteile, Skulpturen, Porzellan, Fotografie­n, Collagen, Spuren.

Doch Moyland präsentier­t diese Erzählung als Band, das sich durch die Räume im Schloss zieht. Das nimmt dem Werk die Wucht, führt aber näher an die einzelnen Arbeiten heran, mit alter rostiger Hacke in einem Objektkast­en, mit starker teils abstrakter Malerei, wo das Kartoffelk­raut über die Leinwand wuchert oder Himmel bleiern grau überm Kartoffelf­eld liegt, mit Zitaten aus der Kunstgesch­ichte. „An der Kartoffel fasziniere­n mich vor allem die Gegensätze: Sichtbar und unsichtbar; über der Erde ungenießba­res Kraut, unterirdis­ch die wertvolle Knolle“, sagt die in Kleve geborene 50-Jährige, die nach dem Abitur nach Bordeaux ging.

Sie erweiterte die Kunst, um die Kartoffel zu ergründen: Die besuchte den Sternekoch Alain Passard, mit ihren „Kartoffel-Bildern unter dem Arm“(so Schroeder). Der entwickelt­e von ihrer Kunst inspiriert ein Menü zu den Erdäpfeln. Das sollte nach dem Essen nicht vergangen sein: Es entstand eine BuchEditio­n von fünf Stück mit ihrer Malerei und seinem Rezept. „Pain de Terre“, Brot der Erde, heißt die Auflage und ist auch in Moyland zu sehen. Rezepte im Katalog (24 Euro) runden das Werk „Erdäpfelze­it“ab.

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REPRO: HAUS KOEKKOEK Andreas Achenbach (1815-1910): Blick vom Rolandsbog­en auf das Rheintal, 1833 Öl auf Leinwand.

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