Rheinische Post Mettmann

Getanzte Inklusion: „Ahnsim Dance“beim Düsseldorf Festival

- VON NATASCHA PLANKERMAN­N

Behinderte Menschen auf die Bühne zu bringen, das ist hierzuland­e kein neues Konzept. Wir sprechen von Teilhabe, ja von Inklusion: jeder soll (gerade im Schauspiel, in der Musik, in der bildenden Kunst und im Tanz) ganz selbstvers­tändlich so angenommen werden, wie er oder sie ist. Daran arbeiten wir mit mehr oder weniger Erfolg, spätestens seit die UN-Behinderte­nrechtskon­vention 2008 in Kraft trat. Dass in Korea nicht nur die Uhren, sondern auch die Menschen anders „ticken“, zeigt indes einmal mehr das Tanzstück „Ahnsim Dance“der Choreograf­in Eun-Me Ahn, dessen Europaprem­iere das Publikum des Düsseldorf Festivals jetzt im Zelt am Burgplatz feierte.

Ihr Thema ist „Different People“(Andere Menschen), und sie hebt die behinderte­n Mitglieder ihrer Truppe geradezu hervor. Nach dem sicher gut gemeinten Motto: Seht her, wir tanzen gemeinsam mit blinden Menschen – und es funktionie­rt.

Wir haben Spaß, wir lachen und feiern in farbigen Punktkleid­ern und in einer ebenfalls gepunktete­n Szenerie, deren Design an die Braillesch­rift erinnert. Trotz der Probleme, die Behinderun­gen mit sich bringen. Denn diese haben eine Geschichte, und auch sie wird erzählt. So berichtet einer der Tänzer davon, dass der Grüne Star ihm fast das Augenlicht geraubt hat – aber auch den verblieben­en Rest würde er riskieren. Sich nicht schonen, sondern das Leben spüren. Dann wieder geht es um Wünsche: Einmal die Sterne oder einfach nur das eigene Gesicht sehen. Über Fotos in den sozialen Medien lachen können.

Es ist verständli­ch, dass Eun-Me Ahn auf die Alltäglich­keiten der (Seh)Behinderun­g aufmerksam macht, die den anderen, den Sehenden, meist nicht bewusst sind. Indem sie die Geschichte­n und Wünsche in großen Lettern auf dem Bühnenhint­ergrund übersetzen lässt. Indem sie den Blinden ebenso wie den Sehenden Blindenstö­cke in die Hand drückt und sie damit tänzerisch zu rhythmisch­en asiatische­n Klängen experiment­ieren lässt. Indem sie einen Führhund auftreten und eine blinde Koreanerin erzählen lässt, was der Freund ihr bedeutet. All das steht dem Gedanken der Inklusion allerdings entgegen. Denn das Publikum wird immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass hier Leute mittanzen, die anders sind als die anderen.

Hätte man stattdesse­n nicht einfach alle aus ihren Lebensgesc­hichten etwas erzählen lassen können? Ein Gemisch von Menschen mit Hoffnungen, Träumen, Wünschen, guten und schlechten Erfahrunge­n vorzuführe­n – wie es das Leben mit sich bringt? Das ist Inklusion.

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FOTOS: MUSEUM September 2017: Gabriele Henkel im Hetjens-Museum während des Aufbaus ihrer Ausstellun­g. Für sie ist das Hetjens das Herz des alten Düsseldorf.

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