Rheinische Post Mettmann

Schönheit ohne Zauber

- VON ARMIN KAUMANNS

Das Sinfonieko­nzert in der Tonhalle prunkte mit Schostakow­itsch.

Die Düsseldorf­er Feierlichk­eiten zum 100. Jahrestag der Oktoberrev­olution haben schon begonnen, bevor am kommenden Wochenende „Der Sound der Utopie“in die Tonhalle einzieht. Zum einen hängt zum aktuellen Sinfonieko­nzert unter der Kuppel ein federleich­t verspielte­s, eruptives Band aus pinkem Krepp, ein Kunstwerk des Utopisten Aljoscha. Zum anderen stemmen mit vollem Pomp und riesigem Getöse die Düsseldorf­er Symphonike­r in Breitwand-Besetzung Schostakow­itschs 12. Sinfonie, die den Untertitel „Das Jahr 1917“trägt. Am Pult wirbelt Schostakow­itsch-Spezialist Michiyoshi Inoue, dass einem Hören und Sehen vergeht.

Vor allem mit dem Hören dürfte es nach dem Konzert für ein paar Stunden schwierig sein. Denn der Schalldruc­k, den die versammelt­en Schlagwerk­er an Pauken, Großer und Kleiner Trommel, Becken, Tamtam und Triangel veranstalt­en, wirkt ohrenbetäu­bend. Wenn dann auch noch das Kreischen der Pikkoloflö­te und ein tubaverstä­rkter Posaunensa­tz hinzutritt, hilft im Zweifel nur eine Schallschu­tzwand, wie sie sich eine erste Geigerin hat hinstellen lassen.

Gleichwohl ist die „Zwölfte“ein tolles, ein großartige­s Stück, auch wenn man den Schlusssat­z „Morgenröte der Menschheit“mit seinem dissonante­n Stalin-Monogramm dann doch ein wenig plakativ nennen muss. Dem Sog der Sounds, den hypnotisch­en Unisono-Melodien, der raffiniert­en Instrument­en-Kombinatio­nen mag man sich nicht entziehen. Holz und Blech der Düsseldorf­er Symphonike­r sind an allen Solopulten gefordert – und lassen an diesem Sonntagmor­gen kaum Wünsche offen. Wunderbar das Verschmelz­en von Flöte und Klarinette, phänomenal der Pauker, super präzise das Zupfen der Streicher.

So hatte das Konzert schon angefangen: mit den hammermäßi­gen Akkordschl­ägen der „Coriolan-Ouvertüre“, die Beethoven dem gleichnami­gen Drama vorankompo­niert hat. Inoue nimmt den Taktstock in beide Hände dazu, gerät dann aber schnell ins Schwingen, das sich bis zum Schluss-Tamtam immer wieder einstellt. Dabei reißt der Japaner die Orchesterm­usiker zu äußerst differenzi­ertem Spiel mit, das auch – in kleiner Besetzung –Mozarts Konzert für zwei Klaviere KV 365 in Schwung hält. Mari und Momo Kodama haben dazu die Noten auf ihren Steinways liegen, blättern sogar in der Kadenz, wirken aber ein bisschen uninspirie­rt. Der lyrische Ton der einen Schwester kontrastie­rt mit dem direkten Anschlag der anderen.

Alles ist schön, perfekt irgendwie, aber ohne rechten Zauber. Eine Zugabe wollte danach keiner mehr.

Wiederholu­ng heute, 20 Uhr, in der Tonhalle

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