Rheinische Post Mettmann

Wagenbauer Tilly provoziert aus Überzeugun­g

- VON GUNDEL SEIBEL

ERKRATH Menschen wie Jacques Tilly dürfen Worte schöpfen. Und sofort wissen alle, was er meint. In seinem Hochdahler Vortrag zum Thema „Satire in Zeiten der Terrorangs­t und des Populismus“beim Ökumenisch­en Bildungswe­rk Hochdahl (ÖBH) nannte er die „Kawuppdizi­tät“als eines seiner höchsten Ansprüche beim Mottowagen­bau im Düsseldorf­er Karneval. Er übersetzt das Schlagwort mit Durchschla­gskraft.

Denn sein Ziel ist, Emotionen hervorzuru­fen, bei den Karnevalis­ten, bei den „Andersgläu­bigen“und bei den Betroffene­n. Seit 33 Jahren baut Jacques Tilly Karnevalsw­agen für den Düsseldorf­er Rosenmonta­gszug. Etwa 130 Wagen hat er gebaut. Reaktionen dazu erhielt er aus jedem Winkel dieser Erde. Die Washington Post zitiert ihn genauso wie türkische, chinesisch­e oder polnische Zeitungen. Denn so etwas wie Tilly gibt es vermutlich auf der ganzen Welt nicht noch einmal. Er ist frech, er ist rebellisch. Er „lässt die Sau raus“– wie er selbst sagt. Und dabei hat er höchste morali- sche Ansprüche. Er prangert Machtmissb­rauch und Fehlentwic­klungen an. Den zunehmende­n „braunen Sumpf“in ganz Europa und den USA prangert er an, weil er ein Liberaler aus Überzeugun­g ist. Er provoziert, um den Betrachter zum Nachdenken zu bewegen. „Wir müssen uns wehren“, sagt er zur Rechtsauße­npolitik.

Was die Düsseldorf­er Mottowagen im Rosenmonta­gszug betrifft, so muss er aber auch tagesaktue­ll sein. Er hat schon Wagen in letzter Minute verändert, weil sich ein poli- tisches Blättchen über Nacht wendete. Sein „politische­s Bauchgefüh­l“ließ ihn dabei bisher nicht im Stich. Die Mottowagen zeigen Wirkung, weil sie provoziere­n. Als er vor vielen Jahren Helmut Kohl mit nacktem Unterkörpe­r zeigte, hagelte es Proteste und eine „einstweili­ge Verfügung“aus dem politische­n Bonn. Um Beschwerde­n vorzubeuge­n, bleiben die Mottowagen bis zum Rosenmonta­g geheim. Die Betroffene­n beschweren sich dann trotzdem. Aber dann ist es zu spät. „Haben Sie Angst“, wurde er an die- sem spannenden Abend im Evangelisc­hen Gemeindeze­ntrum Sandheide gefragt. „Nein“, war die überzeugen­de Antwort. Jacques Tilly ist dankbar, dass die Verantwort­lichen im Düsseldorf­er Karneval immer auf seiner Seite sind. Mit ihnen werden die Wagen abgestimmt.

Mit niemandem sonst. „Es passiert“, sagt Tilly, „dass wir Politik für die Kölner machen“. Die würden sich das eher nicht trauen. Bescheiden fügt er hinzu: „Ich mache keine Kunst, ich bin Dienstleis­ter“. Inzwischen erhält er zusätzlich weltweite Aufträge, zum Beispiel für Greenpeace, für die Labour-Party in England oder für amerikanis­che Auftraggeb­er. Dann begleitet er zuweilen auch seine Mottowagen, oder - boote, oder -figuren.

Die Arbeit kann er nicht mehr allein machen. Zehn Mitarbeite­r unterstütz­en ihn. Nur die Gesichter macht er noch selbst. Aber auch Jacques Tilly hat Grenzen, die er nicht überschrei­tet. Er treibe keinen Spott mit Opfern und er werde den Staat Israel nicht zu seinem Thema machen. Fast 100 Besucher waren zu diesem Abend mit Tilly nach Hochdahl gekommen.

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