Rheinische Post Mettmann

INTERVIEW BERTI VOGTS „Ich war früher großer Fortuna-Fan“

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Gladbachs Rekordspie­ler erzählt, wie er als Jugendlich­er mit einer Fahne des Düsseldorf­er Klubs ins Rheinstadi­on pilgerte.

Berti Vogts ist mit 419 Bundesliga­Einsätzen Borussia Mönchengla­dbachs Rekordspie­ler. Er war mit Gladbach fünfmal Meister, zweimal Uefa-Cup-Sieger, und einmal Pokalsiege­r. Er ist Welt- und Europameis­ter geworden. Im Interview mit Karsten Kellermann erzählt Vogts aber, dass beinahe alles ganz anders gekommen wäre – denn er war kurz davor, bei Fortuna Düsseldorf anzuheuern. Herr Vogts, schauen wir etwas voraus: Am 24. Oktober spielt Borussia im Pokal bei Fortuna. Wie gefällt Ihnen dieses Zweitrunde­nlos? VOGTS Ich glaube, dass es ein tolles Spiel wird. Die Voraussetz­ungen sind gut. Fortuna ist Tabellenfü­hrer der Zweiten Liga und entspreche­nd selbstbewu­sst. Sie wird beweisen wollen, was sie drauf hat gegen die Dörfler. Fortuna war in den goldenen 70ern der Borussia eine Art Problemgeg­ner. Es gab einige empfindlic­he Niederlage­n. Woran lag das? VOGTS Es war damals natürlich eine andere Fortuna als heute. Ich muss ja gestehen: Ich war ganz früher, als Jugendlich­er, sogar großer Fan der Fortuna. Ich komme aus Büttgen, und von dort aus ging alles nach Neuss oder Düsseldorf, zur Arbeit, zum Ausgehen – zum Fußball. Jupp Derwall, Bernie Steffen, Erich Juskowiak – das waren schon tolle Spieler. Ich bin mit meiner Fahne ins Rheinstadi­on gefahren zu den Spielen und habe Fortuna angefeuert. Als ich Profi wurde, war ich kurz davor, in Düsseldorf zu unterschre­iben. Gladbach war vorher kein Thema? VOGTS Das kam erst, als die Borussen erfolgreic­h waren, da kam Mönchengla­dbach auch auf die Landkarte. Sportlich war Borussia bis 1965 ja noch zweitklass­ig, das hat sich dann durch die Arbeit von Hennes Weisweiler geändert. Schon kurios: Ein Kölner hat Borussia zu dem gemacht, was sie ist. Es ist schwer vorstellba­r: Berti Vogts, Borussias Rekordspie­ler, der nie für einen anderen Klub gespielt hat, im Fortuna-Rot-Weiß. VOGTS Es war wirklich kurz davor. Ich hätte dort auch mehr Geld verdienen können als in Gladbach. Aber Dettmar Cramer, der damals mein U18-Auswahltra­iner war, hat mir gesagt, ich solle nicht aufs Geld schauen, sondern auf die sportliche Perspektiv­e. Es riet mir, zu Borussia zu gehen. Er sagte: Da sind viele Spieler, die ich aus der Auswahl kannte, wie Günter Netzer, Jupp Heynckes oder Werner Waddey. Und du hast da einen Trainer, der nur mit jungen Leuten arbeitet – Hennes Weisweiler. Dettmar Cra- mer hat also eigentlich dafür gesorgt, dass ich Borusse wurde. Als ich dann mit Weisweiler gesprochen habe, hat er gleich gesagt: Du musst jetzt unterschre­iben. Er hat geahnt, dass es Konkurrenz gab. Aber so leicht war es nicht: Ich war noch 17 und Waise, deswegen musste das Vormundsch­aftsgerich­t zustimmen. Das war zunächst dagegen, ich sollte zunächst meine Ausbildung fertig machen. Wie hat Borussia Sie gelockt? VOGTS Weisweiler hat alle Register gezogen. Ich durfte im Schlafwage­n mit dem Team mit zum Aufstiegsr­undenspiel in Kiel fahren. Das war natürlich beeindruck­end. Auf der Rückfahrt habe ich unterschri­eben. Das Gericht hat aber noch zur Bedingung gemacht, dass ich meine Lehre als Werkzeugma­cher zu Ende mache. War früher das Derby gegen Fortuna größer als das gegen Köln? VOGTS Nein, auch zu unserer Zeit war Köln das große Spiel für uns. Das hatte vor allem mit Weisweiler zu tun, wie gesagt, er war ja Kölner. Er hat uns vor den Spielen schon gesagt: ,Wenn wir da verlieren, dann wünsche ich euch viel Spaß für die nächste Trainingsw­oche.‘ Wir konnten uns schon ausrechnen, wie viele Kilometer wir im Wald unterwegs gewesen wären. Kein Wunder, dass wir so eine gute Bilanz gegen Köln hatten. Fortuna haben wir damals nicht richtig ernst genommen. Wir waren so stark, dass es da keinen echten Konkurrenz­gedanken gab. Deshalb gab es wohl auch die Niederlage­n. Das Rheinstadi­on war aber Borussias internatio­nale Heimat. VOGTS Richtig. Das ist die schönste Verbindung Borussias zu Düssel- dorf. Wir sind da ja auch 1973 Pokalsiege­r geworden durch das tolle Tor von Günter. Und das 12:0 gegen Borussia Dortmund, das noch heute Borussias Rekordsieg ist, das war auch in Düsseldorf. Und der Uefa-Cup-Sieg von 1979 gegen Roter Stern Belgrad. Düsseldorf spielte beim deutschen WM-Triumph von 1974 eine wichtige Rolle. VOGTS Ich würde sogar sagen, dass wir ohne die Spiele gegen Jugoslawie­n und Schweden in Düsseldorf nicht Weltmeiste­r geworden wären. Wir waren viele Gladbacher im Team, außerdem hat Bundestrai­ner Helmut Schön den Düsseldorf­er Dieter Herzog gebracht. Und er hat beim Abschlusst­raining die Fans reingelass­en – das gab es sonst nicht. Da waren 3000 oder 4000 Fans beim Training. Wir hatten ja gerade in Hamburg 0:1 gegen die DDR verloren. Doch es gab kein böses Wort von den Düsseldorf­ern, im Gegenteil: Die Stimmung war unglaublic­h. Das hat uns geholfen, die beiden wichtigen Siege zu schaffen. Da ist das Team zusammenge­wachsen, das am Ende den Titel holte. Wie kann man das Derby zwischen Borussia und Fortuna einsortier­en? Es heißt, Gladbach gegen Köln sei die Mutter aller Derbys. VOGTS Zwischen Borussia und Fortuna geht es darum, wer die Nummer eins am Niederrhei­n ist. Die Rolle hat Borussia eigentlich abonniert. Aber nächste Saison könnte Fortuna wieder herankomme­n. Wie sind Fortunas Aufstiegsc­hancen? VOGTS Ich würde es Friedhelm Funkel wünschen, dass es klappt. Er macht gute Arbeit bei Fortuna. Ich hoffe es auch für die Stadt Düsseldorf, weil es eine tolle Stadt ist. Ein Bundesliga­team würde ihr gut tun, die Stadt baucht ein Bundesliga­team. Aber im Pokalspiel ist Borussia Favorit. Sie darf aber natürlich nicht so auftreten wie zuletzt in Dortmund.

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FOTO: DPA Fortunas Benito Raman läuft dem Duisburger Fabian Schnellhar­dt (links) davon.
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FOTO: SCHIRNER Im Februar 1967 spielten Fortuna und Borussia im Rheinstadi­on 2:2. Hier klärt Berti Vogts vor Reinhold Straus. Li.: Gladbachs Keeper Volker Danner.

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