Rheinische Post Mettmann

Schulweg per Rad am gefährlich­sten

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Das Risiko eines Unfalls mit dem Fahrrad ist dem NRW-Verkehrsmi­nister zufolge achtmal so hoch wie bei der Nutzung anderer Verkehrsmi­ttel. Der Radclub ADFC fordert unter anderem mehr Verkehrser­ziehung.

DÜSSELDORF Das Fahrrad ist für Kinder auf dem Schulweg das mit Abstand gefährlich­ste Verkehrsmi­ttel. Nach Angaben der Landesregi­erung ist die Unfallhäuf­igkeit achtmal höher, als wenn Schüler andere Verkehrsmi­ttel benutzen. Dies geht aus einer Antwort von NRW-Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst (CDU) auf eine kleine Anfrage der SPD-Abgeordnet­en Sarah Philipp zum Thema „Verkehrssi­cherheit für Kinder im ÖPNV“hervor.

Bringen die Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule, verursacht dies der Antwort des Ministeriu­ms zufolge viermal mehr Schulwegun­fälle als die Anfahrt per Bus oder Bahn. Etwa jedes zweite Schulkind zwischen sechs und 13 Jahren nutze in NRW regelmäßig öffentlich­e Verkehrsmi­ttel. Die Ergebnisse belegen, wie schädlich die so genannten Eltern-Taxis sind. Neben der Unfallgefa­hr kritisiere­n Verkehrssi­cherheitse­xperten und Pädagogen, dass Kinder durch die Bringdiens­te unselbstst­ändig werden und sich noch unsicherer im Straßenver­kehr bewegen. „Eltern nehmen ihren Kin- dern eine Entwicklun­gsmöglichk­eit und gefährden sehr häufig die eigenen und andere Kinder“, sagte kürzlich Kurt Bodewig, Präsident der Deutschen Verkehrswa­cht. An manchen Grundschul­en parkten die Autos der Eltern in zweiter oder gar in dritter Reihe. Das behindere den Verkehr und erhöhe die Gefährdung für weitere Verkehrste­ilnehmer. In anderen Ländern ist das Problem mancherort­s so groß, dass etwa Kantone in der Schweiz inzwischen hohe Bußgelder verlangen, wenn Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen.

Die Zahlen offenbaren zugleich, welch hohes Risiko Schüler eingehen, die mit dem Rad fahren. NRWVerkehr­sminister Wüst beruft sich in seiner Antwort auf die Anfrage der SPD zwar auf Zahlen aus dem Jahr 2004. Doch die jüngste verfügbare Statistik der Deutschen Gesetzlich­en Unfallvers­icherung (DGUV) kommt zum selben Resultat: 2015 waren Radfahrer in knapp die Hälfte aller meldepflic­htigen Verkehrsun­fälle mit Schülern verwickelt. Auf Fußgänger hingegen entfielen nur 8,4 Prozent der Verkehrsun­fälle. Am sichersten ist demnach der Schulbus mit 4,7 Prozent.

Mit 24 tödlichen Schülerunf­ällen schnitt NRW 2015 im Bundesländ­ervergleic­h schlecht ab. Im bevölkerun­gsreichste­n Bundesland kamen der DGUV-Statistik zufolge dreimal so viele Kinder ums Leben wie im nächstplat­zierten Land Niedersach­sen. Wie viele tödliche Unfälle auf Radfahrer entfielen, wurde allerdings nicht eigens erhoben.

„In ganz Deutschlan­d herrschen extrem unzureiche­nde Bedingun- gen für sicheres Radfahren, die Kinder sind dabei in besonderem Maße die Leidtragen­den“, sagte Daniel Wegerich, Landesgesc­häftsführe­r des Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Der Verband fordert besser ausgebaute und sicherere Radwege sowie einen höheren Stellenwer­t der Verkehrser­ziehung in Schulen. „Fahrradsch­ulungen als Teil des Unterricht­s und Verkehrsüb­ungsplätze werden immer seltener“, kritisiert­e Wegerich. Stattdesse­n erreichten den ADFC vermehrt Anrufe verärgerte­r Eltern, weil Schulleite­r den Kindern die Anfahrt per Rad untersagen würden. Nicht selten werde behauptet, die Kinder seien nicht versichert. „Das entspricht nicht den Tatsachen“, so Wegerich. Hintergrun­d für die Panikmache seien häufig fehlende Abstellmög­lichkeiten für Räder.

Auch die Grünen fordern Konsequenz­en. „Unsere Städte müssen insgesamt fahrradger­echter werden, damit unsere Kinder und Jugendlich­en sich frei bewegen können und nicht auf das Elterntaxi angewiesen sind“, sagte NRW-Grünen-Chefin Mona Neubaur.

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