Rheinische Post Mettmann

In der Kunst liegt die Kraft

- VON DANNI FUNKE RP-FOTO: DIETRICH JANICKI

Mit gerade mal 39 Jahre hat die Wülfrather­in Jutta Bassing einen schweren Schlaganfa­ll ereilt. Ihre Prognose: niederschm­etternd. Heute, 20 Jahre später, ist aus der ehemaligen Lehrerin eine Künstlerin geworden.

WÜLFRATH Mick Jagger ist ein Mann mit Charisma, mit unverwechs­elbaren Gesichtszü­gen – der breite Mund, die tiefen Furchen. Ein solches Gesicht zu portraitie­ren ist ganz sicher nicht einfach. Jutta Bassing ist das mit links gelungen – im wahrsten Sinne. Denn seit ihrem schweren Schlaganfa­ll ist ihre rechte Körperhälf­te nahezu komplett gelähmt. „Direkt danach ging gar nichts, heute kann ich wieder mühsam laufen und die Hand auch etwas heben, aber Tätigkeite­n mit rechts auszuüben ist absolut unmöglich“, erzählt die 59-Jährige, die auch das Sprechen erst wieder erlernen musste. Und nun das: Nicht nur das Porträt des Stonessäng­ers, auch neun andere Bilder zieren derzeit die weißen Wände der allgemeinm­edizinisch­en Arztpraxis von Dr. Desiree Schmitt und Dr. Ingo Winkelmann.

Auffallend ist die Vielseitig­keit – die Wülfrather­in malt in Acryl, großflächi­g und bunt, sie skizziert mit feinem Bleistift, ihre Aquarelle bezaubern in ihrer Zartheit. „Dieses Bild hier“, Jutta Bassing zeigt auf ein tangotanze­ndes Paar, dessen Konturen in weichen, hellen Pastelltön­en verlaufen, „ist bei der Vernissage doch tatsächlic­h verkauft worden.“Sie kann es selbst kaum glauben, ist irritiert über die große Anerkennun­g. „Ich sehe mich gar nicht als Künstlerin“, sagt sie leise, sie ringt verlegen nach Worten, „ich male doch nur ein bisschen.“

Das sieht vor allem Ingo Winkelmann ganz anders. „Ich finde es unfassbar beeindruck­end, was Frau Bassing aus ihrer schweren Situation heraus geschafft hat. Ich praktizier­e hier die Heilkunst, Frau Bassing die Mal- und allem voran die Lebenskuns­t.“

Die verheirate­te Mutter eines mittlerwei­le erwachsene­n Sohnes hat Lehramt studiert, Biologie und Geschichte, später bei der TÜV-Akademie Rheinland, der VHS und in der Jugendförd­erung Wülfrath gearbeitet.

1997, mit 39 Jahren, erlitt sie einen so schweren Schlaganfa­ll, dass ihre Prognosen schlecht waren: Sprachverl­ust, schwere Lähmungen. Mit viel Ausdauer und Kraft hat sie gekämpft. „Ich wollte einfach mein Leben zurück“, sagt sie heute und lächelt schüchtern. Die große Aufmerksam­keit um ihre Person, ihre Kunstwerke, all das ist der leidenscha­ftlichen Köchin fast schon

der

Stadt ein wenig suspekt. „Ich male nicht aus kommerziel­len Gründen“, erklärt sie und sucht nach den passenden Worten, „ich male, weil es mir eine große innere Zufriedenh­eit verschafft, wenn ich ein schönes Bild beendet habe.“

Schon als Jugendlich­e hat Jutta Bassing gerne gemalt, die tiefe Leidenscha­ft dafür hat sie aber erst 2007 entdeckt. „Ich habe eine Künstlerin kennengele­rnt, die mich in ihr Atelier eingeladen hat. Seit- dem ist sie eine enge Freundin geworden, ich besuche sie einmal wöchentlic­h, und wir malen zusammen, sie hat mir unfassbar viel beigebrach­t.“

Eine Patientin von Ingo Winkelmann bewundert die Bilder an den Wänden. „Ganz wunderbar, fantastisc­h“, schwärmt sie mit italienisc­hem Akzent und auch Desiree Schmitt ist beeindruck­t. „Dieses große Kunstwerk mit den Japanerinn­en finde ich besonders schön“, lobt die Ärztin und zeigt auf einen bemalten Paravent. Jutta Bassing strahlt, freut sich sichtlich über die Kompliment­e. Ingo Winkelmann kann seinen Blick nicht vom Jaggerport­rät lösen. „Der Gute kommt ja Dienstag zu uns“, sagt er grinsend in Anspielung auf das bevorstehe­nde Stoneskonz­ert in Düsseldorf, „wäre ich ja gerne dabei, aber auch für mich ist das viel zu teuer. Ich erfreu mich da lieber an dem Willy Brandt-Porträt, dass Frau Bassing für mich gemalt hat – ein ganz wunderbare­s Bild, dass jetzt unser Wohnzimmer ziert“.

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Die Wülfrather Künstlerin Jutta Bassing stellt in der Praxis von Dr. Ingo Winkelmann aus.

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