Rheinische Post Mettmann

„Den Diesel nicht verdammen“

- FOTOS (2): ANDREAS ENDERMANN

NRW-Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst ist seit 100 Tagen im Amt. Wir haben ihn mit einem E-Auto eines Carsharing-Anbieters abgeholt, um über die „Automobile Zukunft“zu sprechen. Nach der Begrüßung kramt er sofort in seinem Portemonna­ie und hält eine Anmeldekar­te vor das Lesegerät des Autos.

sammen den Kohl fett. Übrigens: Die Stickoxid-Belastung ist in den vergangene­n Jahren um 70 Prozent runtergega­ngen. Die Diesel-Debatte führt aber potenziell dazu, dass verunsiche­rte Leute ihren alten Diesel weiterfahr­en, was eine schnelle Erneuerung eher behindert. Wir hätten sonst 2020 die Grenzwerte allein durch Flottenaus­tausch und Software-Nachrüstun­g gepackt. Sind die vorgegeben­en Grenzwerte unrealisti­sch? WÜST Sowohl das Zustandeko­mmen der Zahl als auch die Zahl an sich kann Diskussion­en auslösen, aber wir als Landesregi­erung sind an Recht und Gesetz gebunden. Trotzdem: Wir möchten Fahrverbot­e verhindern. Denn sonst wären nach zwei Tagen die Büros und die Supermarkt­regale leer und die Handwerker blieben zu Hause. Da will ich mal die sehen, die jetzt nach Fahrverbot­en schreien. Am Ende entscheide­n aber die Gerichte über Fahrverbot­e und nicht die Politik. WÜST Die Gerichte wollen von den zuständige­n Behörden hören, wie wir die Grenzwerte einhalten. Genau das wird jetzt Punkt für Punkt abgearbeit­et, und dann wird’s am Ende reichen. Ist das denn realistisc­h bis 2018? WÜST Wer sagt denn 2018? Sie dürfen nicht immer alles glauben, was die Deutsche Umwelthilf­e sagt. Realistisc­h ist, dass es 2018 einen neuen Luftreinha­lteplan gibt. Das hat die zuständige Bezirksreg­ierung auch so angekündig­t. In dem stehen die Maßnahmen, die ergriffen werden. Jede Maßnah- me hat eine Wirkungsfr­ist, in der sie zum Erfolg geführt wird. Angenommen, es kommt doch zu Fahrverbot­en, wäre die blaue Plakette dann eine Übergangsl­ösung? WÜST Blaue Plaketten sollen Fahrzeuge markieren, die von Fahrverbot­en ausgenomme­n werden. Wir arbeiten daran, die Luft ohne Fahrverbot­e sauber zu bekommen. Deshalb sollten man auch keine Spekulatio­nen für Ausnahmen davon anstellen. Klar ist aber, dass es für eine weiter funktionsf­ähige Stadt sehr viele solcher Ausnahmen geben müsste. Bis wann wird es Ihrer Meinung nach den Diesel noch geben? WÜST Wenn man es richtig anstellt, dann ist der saubere Diesel möglich. Ich warne davor, dass Politik irgendwelc­he Zeithorizo­nte beschreibt. Ist der Elektroant­rieb das Allheilmit­tel? WÜST Er wird die Lösung für vieles sein, aber nicht für alles. Vor kurzem wurde berichtet, dass vor allem bei der Produktion der Batterie noch so viel CO2 freigesetz­t wird, dass die ganze Umweltbila­nz zweifelhaf­t ist, solange es nicht genug zusätzlich­en Ökostrom gibt. Gleichzeit­ig sollten wir den Diesel nicht verdammen, denn insbesonde­re die Lkw-Flotte ist ohne Diesel noch nicht denkbar. Bis Ende 2016 gab es in NRW nur 5300 E-Autos auf den Straßen – ein Anteil von 0,05 Prozent. Woran liegt das? WÜST Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden so viele Elektroaut­os zugelassen wie im ganzen letzten Jahr zusammen. Da findet gerade auf einem – zugegeben – noch niedrigen Ausgangsni­veau eine sehr dynamische Entwicklun­g statt. Deswegen bin ich nicht ganz so skeptisch. Was kann das Land NRW tun, um die Elektromob­ilität zu fördern? WÜST Ich glaube schon, dass das Thema Ladesäulen wichtig ist, einfach um den Leuten die Sorge zu nehmen, dass sie irgendwann liegenblei­ben und nicht weiterkomm­en. Deswe-

Erstens bedarfsger­echt ausgebaut, zweitens ordentlich gepflegt und belastbar und drittens mit der nötigen Reserve für telematisc­he Verkehrsle­nkungen. Modernste Telematik nützt nämlich nur dann, wenn die Umleitungs­strecke frei ist, sonst schicken wir die Leute von einem Stau in den nächsten. Was wir brauchen, nenne ich Redundanz der Systeme. Wenn der Verkehr dann stärker vernetzt ist, werden uns die Navigation­ssysteme jeden Tag einen anderen Weg zeigen, der uns stressfrei­er und effiziente­r zur Arbeit kommen lässt. Es werden immer mehr Daten erhoben, auch durch die Smartphone­s, die wir alle haben. Beispielsw­eise kaufen wir Daten von TomTom ein und werden diese für die Bürgerinne­n und Bürger auf unserer Webseite verkehr.nrw freischalt­en. Auch das „Digitale Testfeld Düsseldorf“soll uns dabei helfen, die Verkehrsfü­hrung intelligen­ter zu gestalten. Sie sprechen von der Düsseldorf­er Teststreck­e zum autonomen Fahren, auf der 2018 die ersten Autos unterwegs sein sollen. Würden Sie einsteigen? WÜST Wenn die mich mitnehmen, gerne. DAS GESPRÄCH FÜHRTEN MARKUS WASCH UND DIRK WEBER.

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Vor der Fahrt mit dem E-Auto: NRW-Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst vor dem Stadttor in Düsseldorf.

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