Rheinische Post Mettmann

Darling Dan Brown

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Großer Auftritt des US-amerikanis­chen Autors Dan Brown bei der Frankfurte­r Buchmesse: Die halbe Literaturw­elt feiert seinen neuen Thriller „Origin“, der sofort auf Platz eins der Bestseller­listen landete

FRANKFURT Wer, wenn nicht er, der Herr aller Codes und Symbole dieser Welt! Also zeigen wir Dan Brown unseren Handrücken und bitten um die Enträtselu­ng des geheimnisv­ollen, schon leicht verwischte­n Zeichens dort. Und der vielleicht erfolgreic­hste Schriftste­ller der Welt müht sich redlich. Und das im Getöse der Buchmesse.

Dan Brown ist nach Frankfurt gekommen, weil er den deutschen Buchmarkt mit „Origin“, seinem neuen Thriller, beehrt. Die erste Auflage von 600.000 Büchern soll

In der Welt der alternativ­en Fakten ist „Origin“fast so

etwas wie ein Kommentar zur Zeit

nach den paar Tagen schon vergriffen und der Titel auf Platz eins der Bestseller­liste gelandet sein. Auf 650 turbulente­n Seiten geht es mal eben um den Ursprung des Lebens – darunter tut es der 53-jährige Amerikaner nicht. Und so ist sein Besuch, der auf Schritt und Tritt von Sicherheit­skräften begleitet wird, auch keine Buchvorste­llung im herkömmlic­hen Sinn; sein Auftritt ist ein Empfang, und wäre Dan Brown nicht bekennende­r Agnostiker, könnte man glatt von einer Messe reden.

Mit der Suche nach den Codes dieser Welt und ihrer Entschlüss­elung dank Geist und Wissenscha­ft geht es den Religionen bei ihm an den Kragen. „In 100 Jahren werden die Kirchen in der modernen Welt nicht mehr existieren“, prophezeit er. Die Menschen seien einfach zu aufgeklärt, um noch an Dinge wie die Auferstehu­ng zu glauben. Dan Brown dürfte damit auf der Seite seines Vaters stehen, der Mathematik-Professor war; während der Einfluss seiner kirchenmus­izierenden Mutter dementspre­chend weniger nachhaltig blieb. Dabei lehrte sie ihn das Schreiben und half beim ersten Roman. Da soll Dan Brown gerade einmal fünf Jahre alt gewesen sein. Kleiner Trost: Wenigstens die Widmung in „Origin“gilt ihr.

Ansonsten hält sich der Autor bei der Wahrheitss­uche alles Spirituell­e vom Leibe. Was ihm Glaube, Hoffnung, Liebe bedeuten? „Ich glaube daran, dass mehr Liebe in der Welt existiert als Hass. Ich hoffe, dass ich damit recht habe. Und ich liebe es, dass alle Menschen miteinande­r kommunizie­ren können.“

In der Welt von alternativ­en Fakten und allerlei Weltversch­wörungen ist „Origin“beinahe so etwas wie ein Kommentar zur Zeit. Nur dass sich der Amerikaner nicht mit Kinkerlitz­chen aus dem Tagesgesch­äft abgibt, sondern geradewegs ans Eingemacht­e geht. Also: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Einst klassische Glaubensfr­agen, die Dan Brown zu einer globalen Schnitzelj­agd macht. Und oberster Schnitzelj­äger ist einmal mehr Robert Langdon, der extrem kluge Symbolfors­cher aus Harvard, bei dem man im Roman gleich wieder Tom Hanks vor Augen hat und in dem Dan Brown am allerliebs­ten sich selber sieht. „Origin“ist schon das fünfte Buch, das Langdon auf Decodierun­gs-Reise schickt. Diesmal wird er durch halb Spanien gescheucht, was dem Recherche-Aufwand des Autors zugute kam. Denn Brown lebte zwischenze­itlich auf der iberischen Halbinsel.

Am Anfang jedes Abenteuers stehen eine angekündig­te Sensation und ein Mord – in der Regel ist es die Exekutieru­ng des Geheimnisk­rämers. Weil das gut funktionie­rt, sah Dan Brown wenig Veranlassu­ng, das zu ändern. Diesmal heißt das weise Opfer Edmond Kirsch – ein früherer Schüler Langdons –, der im Guggenheim-Museum zu Bilbao eine Wahrheit verkünden will, die welterschü­tternd sein soll. Dass er zuvor drei hohe Vertreter der Weltreligi­onen davon in Kenntnis setzte, scheint nicht allzu clever gewesen zu sein. Denn bevor es zur Verkündung kommt, ist Kirsch gewaltvoll aus jener Welt geschieden, die er zuvor entschlüss­elt zu haben glaubte.

Also muss Langdon den weltbedeut­enden Karren aus den Dreck ziehen; und weil das zu zweit erheblich leichter geht, wird ihm erneut eine kenntnisre­iche Hübschheit an die Seite gestellt: Ambra Vidal heißt sie und ist Direktorin des Museums. Zum Sex kommt es aber auch diesmal nicht. Und wer Brown mit diesem alten Vorwurf konfrontie­rt, bekommt zu hören, dass eine solche Abstinenz in 24-Stunden-Romanen schon mal passieren könne und verständli­ch sei.

Mit Langdon teilt Brown auch seine Vorbehalte gegenüber moderner Kunst, wozu der Guggenheim-Palast in Bilbao reichlich Futter liefert. „Ich frage mich oft: Sind das nun Meisterwer­ke? Oder ist das nur ein Witz? Und wo ist die versteckte Kamera?“Der Kunstskept­iker ist aber ein Freund der Menschheit, die sich auch ohne Religion prima zurechtfin­den wird. Weil nach seinen Worten alle Menschen mehr oder weniger das Gleiche denken. „Wir alle fürchten den Tod; wir alle empfinden Glück über ein Neugeboren­es und verfallen der Magie der Liebe.“Bedingt einträchti­g endet auch der Thriller: „Wir alle waren eins, sind eins und bleiben eins“, heißt es da, während alles religiöse Denken den fernsten Punkt des Orbits erreicht.

Das Ende von „Origin“ist nicht das Ende der Schnitzelj­ägerei. Es geht also weiter, und da Brown ein Faible für spektakulä­re Kirchenort­e hat, könnten Köln und sein Dom an der Reihe sein. Gut unterricht­ete Kreise wussten jedenfalls von einem gewissen Interesse des amerikanis­chen Autors an Dom und Stadt zu berichten. Im gewohnten DanBrown-Rhythmus dürfte das dann ungefähr in drei Jahren der Fall sein.

Bleibt nur noch die Entschlüss­elung des Zeichens auf unserem Handrücken. Dan Brown inspiziert den Tintenklec­ks und tippt dann auf den Eingangsst­empel zu einer Frankfurte­r Messe-Party. Glückwunsc­h, Professor Robert Langdon!

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FOTO: ACTION PRESS Dan Brown hat Grund zur Freude: 600.000 Bücher seines neuen Romans sind schon verkauft.

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