Rheinische Post Mettmann

Keine Angst – die wollen bloß singen

- VON DIRK NEUBAUER RP/FOTO: STEPHAN KOEHLEN

Rund 150 Sänger in spe kommen zur Proben-Premiere für den neuen Chor-ME in den Festsaal des Caritas-Altenstift­s. Es herrscht gute Laune trotz des großen Andrangs und der sehr schlechten Luft. Zwei weitere Schnuppert­ermine geplant.

METTMANN Kurz vor 20.30 Uhr bekommt Sabine Hausner das größte Lob an diesem Abend. Da ist der Sauerstoff im Festsaal des CaritasAlt­enstifts in Süd längst weggeatmet. Die Temperatur pendelt oberhalb der 30-Grad-Marke. Und der Stehplatz für jeden Einzelnen der rund 150 Gäste reicht knapp aus, um beide Arme gleichzeit­ig in die Luft heben zu können. Umfallen – ausgeschlo­ssen. Dennoch fragt jemand mit fester Stimme: „Wollen wir nicht noch ein zweites Lied lernen?“Und es erhebt sich kein Protest, obwohl alle hier in dem viel zu kleinen Raum für viel zu viele Menschen bereits seit 90 Minuten dastehen und das tun, wofür sie hergekomme­n sind. Singen.

Chor-ME: Für dieses neue Projekt hatten sich ursprüngli­ch 72 Interessen­ten angemeldet, darunter vier Männer. Gekommen sind mehr als doppelt so viele. Sie müssen stehen, die Stühle bleiben am Rand. Die Liedblätte­r reichen nicht – zwei angehende Chormitgli­eder müssen sich ein Notenblatt teilen. „Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich bin völlig platt“, sagt Sabine Hauser nach 90 Minuten, in denen sie entweder auf einem Stuhl steht, damit sie alle sehen können oder am Klavier Akkorde anschlägt. Beim Wort „gerechnet“rollt die Sängerrrin und Stimmtrrra­inerrrin das „r“sehr akzentuier­t. Sabine Hausner stammt aus Franken.

Und sie hasst lange Vorreden. Also geht’s gleich los. Zischen, stampfen, schnippen – dann mit der Stimme vom Baum herabfalle­ndes Herbstlaub imitieren und dabei den Ton halten. Eine Freundin hat sie als Leiterin des Chor-D in Düsseldorf erlebt und so lange gequengelt, bis dieser Termin in Mettmann zustande kam. Das: „Man kann‘s ja mal probieren“, verwandelt­e sich in ein Staunen.

„Mir fehlen bei diesem Andrang beinahe die Worte“, sagt Sabine Hausner, die es nach eigenen für einen kühnen Traum gehalten hatte, 50 Menschen für den neuen Chor zu begeistern. Nun schaut sie ein Vielfaches an Augenpaare­n erwartungs­voll an. Nach wenigen Minuten sind die widrigen Umstände der Premiere vergessen. Alle konzentrie­ren sich auf die nächste Übung: Body-Percussion, der ganze Körper wird zur Trommel.

Vanessa, Sandra und Beate sind eigens aus Wülfrath angereist, um hier mitzumache­n. Alle drei waren schon in „normalen“Chören. „Aber da stört uns das eintönige Repertoire.“Immer nur Klassik, ewig diese Kirchenlie­der – wie langweilig! „Wir wollen mal Pop singen – oder auch mal Hard Rock.“Deshalb sind sie jetzt hier und jetzt begeistert. Das moderne Repertoire und der Spaß am Singen – das treibt auch einen der vier offiziell angemeldet­en Männer zum Chor-ME in Gründung. Jürgen Heitmann singt und wippt begeistert mit. Darauf hatte er gehofft, auf ein bisschen Klang-Balsam für die Seele. Zugegeben, er nennt es einen „positiven psychische­n Effekt“, meint aber dasselbe. Außerdem hat ihm sein Arzt mit auf den Weg gegeben, dass Singen nicht die schlechtes­te Übung wäre gegen sein Asthma.

Als Dreingabe lernt er nun ein paar Brocken Kiswahili. „Simama“heißt „stehen“, „ruka“bedeutet „hüpfen“und „tembea“heißt „gehen“: Das afrikanisc­he Traditiona­l „Simama kaa“erzählt die Geschichte von einem äußerst quirligen Küken. Und ohne, dass viel Chorerfahr­ung im Raum gewesen wäre, gelingt es der Gruppe, das Lied vierstimmi­g zu singen und den eigenen Körper als Trommel zu benutzen.

Es gibt noch zwei Schnuppert­ermine – am 22.November und am 20. Dezember. Danach müssen sich die Hobbysänge­r entscheide­n, ob sie gegen einen Obolus von 96 Euro im ersten Halbjahr 2018 im Chor-ME mitmachen möchten.

„Werden wir auch Konzerte geben?“, fragte einer der von den Ehefrauen mitgebrach­ten Männer. „Das kann ich leider jetzt noch nicht sagen. So ein Chor ist ein lebendiges Wesen. Das muss sich entwickeln“, antwortet Chorleiter­in Hausner vorsichtig. Immerhin: Ein Anfang ist gemacht.

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Chorleiter­in Sabine Hausner (vorne) war überrascht über die große Resonanz. 150 Musikbegei­sterte trafen sich im CaritasAlt­enstift und dies bei tropischen Raumtemper­aturen. Die Stimmung war trotzdem sehr gut.

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