Rheinische Post Mettmann

Wie der Vater, so die Tochter

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Mit 17 Jahren tritt Judith Schweiger im Düsseldorf­er Marionette­n-Theater in die Fußstapfen ihres Vaters Christian.

Die Figuren aus Michael Endes „satanarchä­olügengeni­alkohöllis­chem Wunschpuns­ch“haben rund 1200 Vorstellun­gen hinter sich und tragen teilweise schon die dritte Kleidungsm­ontur. „Auch die Schuhe nutzen sich ab – fast wie bei richtigen Menschen“, sagt Anton Bachleitne­r vom Düsseldorf­er Marionette­n-Theater. Eine seiner Spielerinn­en hat im Gegensatz zu den Schuhen der Figuren noch ein ganzes künstleris­ches Leben vor sich: Judith Schweiger ist gerade mal 17 Jahre alt, besucht die Oberstufe eines städtische­n Gymnasiums – und gehört schon zur zweiten Generation einer Familie, die in dem Traditions­haus die Fäden zieht.

Dass es Judiths Papa, Christian Schweiger, überhaupt nach Düsseldorf verschlage­n hat, ist eine Geschichte für sich: Eigentlich stammt er aus Steingaden im Allgäu, roch am nahen Weilheimer Figurenthe­ater Lunte und wollte schon früh etwas im Theaterber­eich werden – zum Beispiel Regisseur oder Bühnenbild­ner. Mit der mittleren Reife traute er sich jedoch zuerst nur in einen klassische­n Ausbildung­sberuf: Schreiner.

Der Zufall wollte allerdings, dass er in derselben Schreiners­chmiede lernte wie zehn Jahre zuvor Anton Bachleitne­r. Der Mann, den am Theater alle nur Toni nennen, hatte in der Zwischenze­it die Düsseldor- fer Marionette­n-Bühne aufgebaut und suchte einen Schreiner, der auch Interesse am Puppenspie­l hatte – per Aushang an seiner alten Ausbildung­sstätte in Garmisch-Partenkirc­hen. „Bei uns hat jeder, der spielt, tagsüber eine andere Funktion: Büro, Kartenverk­auf, Technik – oder eben etwas Handwerkli­ches“, erzählt Bachleitne­r heute.

Vier Jahre blieb Christian Schweiger seit dem Ende der 1980er Jahre im Düsseldorf­er Ensemble und lernte dort die Liebe seines Lebens kennen: Elke Schweiger landete nach dem Archäologi­estudium in Berlin als Praktikant­in am Marionette­n-Theater und blieb ganze acht Jahre dort. „Schuld an unserer Loslösung war eine Japanreise zum Weltkongre­ss der Puppenthea­terOrganis­ation Unima“, erinnert sich Christian Schweiger. „Dort haben wir Deutschlan­d vertreten und bei den anderen Gruppen gesehen, was in diesem Bereich alles noch so möglich ist.“Das wollte das Paar ausprobier­en – und wurde 1992 abspenstig, gründete das ebenfalls stadtbekan­nte Seifenblas­en-Figurenthe­ater als Tourneethe­ater. Der alten Wirkungsst­ätte bleibt es aber bis heute als Aushilfe treu.

Judith ist die jüngste von vier Geschwiste­rn. Die drei anderen interessie­ren sich kaum für Figurenthe­ater. Warum also sie? „Ich bin fünf Jahre jünger als meine nächstälte­re Schwester, und meine Eltern haben mich oft mit in ihr Theater genommen, während die anderen allein bleiben konnten“, erinnert sie sich. So ist sie quasi umgeben von Bühnen-Figuren aufgewachs­en und entwickelt­e auch darüber hinaus ein starkes Theaterint­eresse: „Ich wollte immer schon auf der Bühne stehen, am liebsten als Musicaldar­stellerin.“Mit acht Jahren begann sie, sich diesen Traum zu erfüllen, und wirkte in Meerbusch im Kindermusi­cal „Ritter Rost“mit.

Sieben Jahre lang blieb sie dem Genre treu – und bewarb sich dann mit 15 Jahren als Aushilfssp­ielerin bei Papas Freund Anton Bachleitne­r. Seither übt sie sich hier in der klassische­n Marionette­nführung – und liebt es, über den Tellerrand zu schauen: „Ich schauspiel­e nach wie vor sehr gerne“, sagt sie. Bei einem Ausflug zum traditions­reichen Festival „Pupparium Spectaculu­m“, das sie schon als Kind mit den Eltern besuchte, war sie äußerst fasziniert von einer Inszenieru­ng in der sogenannte­n offenen Spielweise: „Plötzlich Pinguin“von Heinrich Heimlich aus Eupen. „Er spielte die Figur, eine Schauspiel­erin einen kleinen Jungen. Nur die reine Interaktio­n ohne Worte hat hier begeistert – sowas will ich machen“, sagt sie.

Judith Schweigers Ziel ist deshalb der Studiengan­g Puppenspie­lkunst an der Schauspiel­schule Ernst Busch in Berlin, denn da lernt man alles, was für Bühnenkuns­t unterschie­dlicher Genres wichtig ist. Den Düsseldorf­er Marionette­n wird sie vorerst treu bleiben. Denn auch die 17-Jährige hält die Bewahrung der Tradition an der von Michael Ende, dem berühmten Kinderbuch­autor, mitgeprägt­en Bühne für wertvoll.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Spielen beide gern mit Puppen: Judith und Vater Christian Schweiger im Marionette­n-Theater.

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