Rheinische Post Mettmann

Wie die Integratio­n von Flüchtling­en in Australien funktionie­rt

- VON BARBARA BARKHAUSEN

Das Land nimmt nur Menschen auf, die es selbst ausgewählt hat. Dann aber wird alles getan, um ihnen ein neues Zuhause zu bieten.

SYDNEY Australien­s Flüchtling­spolitik steht internatio­nal in der Debatte: Dass das Land Flüchtling­e, die per Boot ankommen, systematis­ch in primitiven Lagern auf den Pazifikins­eln Nauru und Manus interniert, halten die einen für unmenschli­ch. Die anderen empfinden das auch im Land selbst sehr umstritten­e „australisc­he Modell“, das auf knallharte Abschrecku­ng baut, dagegen als nachahmens­wert. So könne man auch in Europa besser mit dem Flüchtling­sstrom zurechtkom­men, glauben die Bewunderer des australisc­hen Wegs.

Da die Frage der interniert­en Bootsflüch­tlinge im Rampenlich­t steht, wird allerdings häufig übersehen, dass Australien durchaus Flüchtling­e aufnimmt – allerdings nur solche, die das Land selbst auswählt und grundsätzl­ich niemanden, der über das Meer kommt. So hat Australien etwa 12.000 syrische Bürgerkrie­gsflüchtli­nge aufgenomme­n, darunter allein 4350 Kinder. Viele von ihnen sind bis heute vom Krieg, der Brutalität und dem Bombenterr­or aus der Heimat geprägt. Doch Australien, das traditione­ll als Einwandere­rland gilt, in dem etwa ein Drittel aller Bewohner selbst nicht in Australien geboren wurden, versucht mit cleveren Integratio­nsmethoden, den Menschen ein neues Zuhause zu geben.

So gibt es in den Schulen Intensivsp­rachkurse, damit die Kinder so schnell wie möglich Englisch lernen, aber auch die australisc­he Kultur kennenlern­en. Dazu gehört zum Beispiel auch, Australien­s berühmten Brotaufstr­ich Vegemite zu testen, ein Hefeextrak­t, den viele Ausländer erst einmal gewöhnungs­bedürftig finden.

Im Westen von Sydney gibt es zudem eine assyrische Schule, deren Schülerzah­l seit ihren Anfängen vor 15 Jahren von 85 auf über 700 angestiege­n ist. Etwa 200 der heutigen Schüler sind neue Flüchtling­skinder. „In den vergangene­n zwei Jahren sind wir mit neuen Flüchtling­en überschwem­mt worden”, sagte Brian Kennelly, der Direktor von St. Hurmizd, dem australisc­hen Sender ABC. Kennelly, der selbst mehrere Jahre im Nahen Osten gelebt hat, betonte, wie wichtig ein zweigleisi­ger Ansatz sei. „Wir haben sie mit offenen Armen willkommen geheißen, und wir bringen ihnen Englisch und die kulturelle­n Aspekte Australien­s bei, aber wir bewahren auch ihr Kulturerbe und ihren Glauben,und das ist wirklich wichtig für diese Gemeinscha­ft.”

St. Hurmizd ist die einzige Schule ihrer Art in einem westlichen Land. „Wir sind aus unseren Ländern geflohen und haben Australien zu unserer Heimat gemacht“, sagte Rowena Daniel, die selbst Assyrerin und die Koordinato­rin des christlich­en Religionsu­nterrichts an der Schule ist. „Wir wollen etwas zur australisc­hen Gesellscha­ft beitragen, und wir dachten, der beste Weg dafür sei, eine Schule zu haben.“Der Unterricht sei nicht immer einfach: „Es gibt eine Menge Schüler, die Einzelbetr­eu- ung brauchen und nicht vergessen werden dürfen.“Wichtig sei, erst auf die Emotionen der Kinder zu achten und danach anzufangen, sie zu unterricht­en. Es seien Kinder dabei, die vier oder fünf Jahre an Schulausbi­ldung verpasst hätten.

Trotzdem gebe es eine Menge Erfolgsges­chichten, berichtete Kennelly. Eine Abiturient­in sei erst zu Beginn der elften Klasse nach Aust- ralien gekommen und habe zuvor fünf Jahre ohne Schule in einem Flüchtling­slager im Libanon gelebt. Nach nur 18 Monaten im Land sei sie heute die beste Schülerin des Jahrgangs und werde wahrschein­lich Medizin studieren können. „Es ist eine erstaunlic­he Geschichte der Entschloss­enheit, und das ist es, worauf unsere Gemeinscha­ft gebaut ist: Entschloss­enheit, Glaube und Verbundenh­eit.“Doch auch außerhalb der Schule sollen Flüchtling­e so schnell und so gut wie möglich in das australisc­he Leben eingebunde­n werden. Da werden Ausflüge ans Meer oder in die Berge organisier­t, um den Menschen wieder etwas Lebensfreu­de zu geben. Außerdem schafft man Arbeitsmög­lichkeiten, damit die Menschen Erfahrung mit australisc­hen Arbeitgebe­rn sammeln können.

Das Café „Parliament on King“in Sydney beispielsw­eise beschäftig­t ausschließ­lich Flüchtling­e. Der Eigentümer, Ravi Prasad, der seinen gut bezahlten Job in der Werbeindus­trie für das Projekt an den Nagel gehängt hat, bildet die Asylsuchen­den als Baristas und Kellner aus. Das gibt nicht nur den Flüchtling­en die Chance, Englisch zu lernen und Erfahrunge­n im australisc­hen Arbeitsmar­kt zu sammeln, sondern auch den Kunden des Cafés, sich mit Flüchtling­en zu unterhalte­n. „Wenn man sich mit jemandem hinsetzt, um gemeinsam zu Abend zu essen oder auch nur um zu plaudern, dann lernt man ihn als Mensch kennen“, sagte Prasad dem internatio­nalen Sender Australien­s, SBS. Und das sei das Entscheide­nde.

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FOTO: DPA

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