Rheinische Post Mettmann

Die größte Hürde ist die Klimapolit­ik

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Der NRW-Ministerpr­äsident hält die Probleme bei der Migration für leichter lösbar und pocht auf einen präzisen Koalitions­vertrag.

BERLIN Armin Laschet ist bei den Jamaika-Sondierung­en CDU-Verhandlun­gsführer für Energie, Klima und Umwelt. Wir treffen ihn in der Landesvert­retung NRW in Berlin mit Blick in einen grünen Park. Herr Ministerpr­äsident, die Grünen fordern die sofortige Schließung der 20 schmutzigs­ten Kohlekraft­werke und den Ausstieg aus der Kohle bis 2030. Haben Sie da eine Zauberform­el für Jamaika? LASCHET Diese Ausstiegst­hesen der Grünen sind falsch. Die Frage lautet: Wie sichern wir zu jeder Zeit bezahlbare­n Strom und Energie? Es ist nicht die Frage, welches Werk schaltet man wann ab, sondern wie deckt man den Strombedar­f für die Industrie und die Verbrauche­r. Innerhalb der nächsten fünf Jahre werden die letzten acht Kernkraftw­erke abgeschalt­et. Die Energie kann derzeit nicht durch Wind und Sonne ersetzt werden. Wir brauchen also den Mix aus Braunkohle, modernen Steinkohle­kraftwerke­n und Gas. Für den Wind aus dem Norden gibt es immer noch keine Leitungen und das Speicherpr­oblem ist auch nicht gelöst. Und wir haben dazu immer wieder Probleme mit der Netzstabil­ität. Zu häufig haben wir Stromübers­chüsse oder -engpässe. Denken Sie da auch an das Ziel der Bundesregi­erung, die Treibhausg­asEmission­en bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken? LASCHET Dieses Ziel wurde 2007 festgelegt. Da ahnten wir noch nichts von Fukushima und dem schnellen Atomaussti­eg. Dadurch wurden die CO2-Werte wieder schlechter, weil Kohle Kernenergi­e ersetzte. Und man nahm 2007 an, dass die Bevölkerun­g schrumpft. Heute aber steigt die Geburtenra­te, und wir haben durch Zuwanderun­g seit 2007 über eine Million Menschen mehr im Land und außerdem ein weiter steigendes Wirtschaft­swachstum. Ich frage: Wollen wir stattdesse­n eine schrumpfen­de Bevölkerun­g und weniger Wirtschaft­swachstum? Wir haben auch hohe Exportüber­schüsse. Wenn wir unsere Stromliefe­rungen in Nachbarlän­der reduzieren, werden in Polen neue Steinkohle­kraftwerke gebaut. Was ist mit Tihange? LASCHET Für mich ist die eigentlich­e Bedrohung das belgische Atomkraftw­erk Tihange. Wir überlegen gerade, die geplanten Stromleitu­ngen zwischen Belgien und Nordrhein-Westfalen zu verdoppeln, damit Belgien das AKW abschalten kann. Ich fahre in Kürze nach Belgien, um das mit Regierungs­vertretern zu besprechen. Ich finde es schlimmer, wenn das Kernkraftw­erk in Tihange hochgeht, als wenn die CO2-Werte vorübergeh­end nicht sinken. Sollten Subvention­en für erneuerbar­e Energien abgeschmol­zen werden? LASCHET Das Erneuerbar­e-Energien-Gesetz und die Subvention­en für regenerati­ve Energie sind heute für viele Unternehme­n fast ein größeres Problem als die Personalko­sten. Wir müssen mehr Marktwirts­chaft in das System bringen. Knapp 30 Milliarden Euro EEG-Umlage pro Jahr sind zu viel. Das muss stabilisie­rt und auf Dauer gesenkt werden. Die Strompreis­e dürfen auf keinen Fall weiter steigen. Was ist schwierige­r zu verhandeln: Die Richtgröße von 200.000 Zuwanderer­n oder die Energiepol­itik? LASCHET Ich glaube, dass man mit dem ganzen Thema Migration, Asyl, Einwanderu­ng eher zu einem Kompromiss kommen kann als bei der Klimapolit­ik. Das Grundrecht auf Asyl wird nicht angetastet, wir werden Fluchtursa­chen bekämpfen, qualifizie­rte Zulassung durch ein Einwanderu­ngsgesetz ermögliche­n, illegale Migration begrenzen und legale Wege nach Deutschlan­d ermögliche­n. Auch die Ausweitung der sicheren Herkunftss­taaten halte ich nicht für unüberwind­bar. Das ist lösbar – eher als die Schließung einer Reihe von Kraftwerke­n. Wenn Sie die Werke in der Lausitz schließen und die Erwerbsgru­ndlage für Tausende Menschen entziehen, dann haben Sie demnächst 30 Prozent AfD. Klimaschut­z ist wichtig, aber auch der Erhalt von Arbeitsplä­tzen ist ein moralische­s Ziel. Wenn der Industries­tandort Deutschlan­d gefährdet wird, können wir keine Koalition machen. Geht es Ihnen eigentlich auf den Geist, dass FDP-Chef Christian Lindner gleich zum Auftakt der Sondierung die Nachfolged­ebatte in der CDU über die Kanzlerin einfordert? LASCHET Da ich Christian kenne, nehme ich das sportlich. Er spürt in den Verhandlun­gen, wie wichtig die Erfahrung und die Autorität der Bundeskanz­lerin sind. Sollte der Koalitions­vertrag penibel formuliert sein oder möglichst nur die grobe Richtung vorgeben, um den Ressorts Gestaltung­smöglichke­iten zu lassen? LASCHET Er sollte so präzise und konkret wie irgend möglich werden. Es hat keinen Zweck, eine so außergewöh­nliche Koalition zu beschließe­n und dann jeden Monat Streit zu haben.

KRISTINA DUNZ FÜHRTE DAS GESRPÄCH.

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