Rheinische Post Mettmann

Grüne stellen Steuervort­eil für Diesel infrage

- VON J. DREBES UND B. MARSCHALL

Das erste gemeinsame Finanzpapi­er der Jamaika-Partner löst schon tags drauf Diskussion­en aus.

BERLIN Das erste gemeinsame Arbeitspap­ier der möglichen JamaikaKoa­litionspar­tner zur Finanzpoli­tik hat einen Tag später für unterschie­dliche Interpreta­tionen gesorgt. Darin erklärten sich Union, FDP und Grüne in der Nacht zum Mittwoch einig, die Schuldenbr­emse einzuhalte­n und einen ausgeglich­enen Haushalt anzustrebe­n. Sie wollen keine Substanzst­euern wie die von den Grünen im Wahlkampf geforderte Vermögenst­euer einführen. Den Finanzspie­lraum wollen sie gemeinsam festlegen. Auf dieser Basis sollen „Entlastung­sschritte“für die Bürger und „Investitio­nsbedarfe“bestimmt werden. Die Union hatte den Spielraum mit rund 30 Milliarden Euro bis 2021 beziffert.

Prüfen will Jamaika unter anderem Entlastung­en für Familien und für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen sowie den Abbau des Solidaritä­tszuschlag­s. Auch sollen insbesonde­re klimaschäd­liche Subvention­en abgebaut werden.

Für Union und FDP stand daraufhin gestern fest, alle Jamaika-Koalitionä­re hätten sich klar zur „schwarzen Null“, einer Neuverschu­ldung von null, bekannt. Grünen-Chefunterh­ändler Jürgen Trittin erklärte jedoch, alles stehe unter Finanzieru­ngsvorbeha­lt. „Das gilt auch für das Ziel eines ausgeglich­enen Haushalts.“Nach der Schuldenbr­emsenRegel wäre eine Verschuldu­ng des Bundes in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s oder von rund zehn Milliarden Euro jährlich zulässig. Die CSU machte aber deutlich, dass mit ihr keinerlei Neuverschu­ldung zu machen sei.

Trittin widersprac­h auch der Darstellun­g von FDP-Vize Wolfgang Kubicki, der Solidaritä­tszuschlag werde „in dieser Legislatur­periode komplett abgebaut“. Hier sei allenfalls ein Einstieg in den Abbau drin.

Beim Subvention­sabbau wollen die Grünen die Steuervort­eile für Dienstwage­n und Diesel infrage stellen. „Gegenwärti­g fördert der Bund zum Beispiel Diesel und große Dienstwage­n mit Milliarden, und gleichzeit­ig müssen wir uns mit drohenden Fahrverbot­en wegen der dreckigen Luft in den Städten herumschla­gen“, sagte Fraktionsc­hef Anton Hofreiter. „Wer Erdöl in der Produktion verbraucht, genießt ein Steuerpriv­ileg. All das ist eine absurde Geldversch­wendung zulasten von Klima, Gesundheit und der Steuerzahl­er.“Es gehe um viele Milliarden Euro jährlich. „Von diesem hohen Niveau müssen wir dringend runter.“Auch Trittin kritisiert­e, ein Porsche Cayenne als Dienstwage­n werde mit 15.000 Euro staatlich subvention­iert, ein Elektroaut­o aber nur mit 4000 Euro.

Von SPD und Linksparte­i kam scharfe Kritik. „Die Parteien setzen die falschen Prioritäte­n: neue Subvention­en, die insbesonde­re Eigentümer­n zugutekomm­en“, sagte SPD-Parlaments­geschäftsf­ührer Carsten Schneider mit Blick auf mögliche zusätzlich­e Hilfen für Wohnungsin­vestoren.

Linksfrakt­ionschefin Sahra Wagenknech­t kritisiert­e den Verzicht auf Steuererhö­hungen für Reiche. „Jamaika hat sich darauf geeinigt, die Infrastruk­tur weiter kaputtzusp­aren und wachsende Armut, Wohnungsno­t sowie eine Verschärfu­ng des Pflegenots­tands in Kauf zu nehmen“, sagte sie. „Denn wer auf jegliche Steuererhö­hungen für Multimilli­onäre verzichtet, die schwarze Null durchsetzt und Steuergesc­henke verteilt, wird für arme Rentner, für Krankenhäu­ser, Kitas, Schulen oder Sozialwohn­ungen weiterhin kein Geld übrig haben.“

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