Rheinische Post Mettmann

Liebesentz­ug

- VON FLORIAN RINKE

Der Bund und die Länder können sich nicht auf eine Transferge­sellschaft für die rund 4000 Mitarbeite­r der insolvente­n Fluggesell­schaft Air Berlin einigen. Nun gibt es lediglich eine Mini-Lösung – von der in NRW nur wenige profitiere­n.

DÜSSELDORF Air Berlin war bereits hoch verschulde­t und schwer angeschlag­en, als im Mai eine Übernahme bekannt wurde. 20 PropellerM­aschinen und rund 380 Mitarbeite­r der Dortmunder Luftfahrtg­esellschaf­t Walter wechselten damals unter das Dach der Air Berlin.

Der Kauf wäre kaum von Belang, wenn nicht dieselbe Firma nun erneut den Besitzer gewechselt hätte und fortan zum Lufthansa-Konzern gehört. Allerdings: Die Mitarbeite­rzahl, die Lufthansa übernehmen will, ist nun plötzlich doppelt so hoch: 870 Mitarbeite­r sollen laut dem Unternehme­n mit Walter übernommen werden, neben den Propellerm­aschinen gehören auch 13 Airbus A320 zum Paket.

Die merkwürdig­e Personalve­rmehrung bei der Luftfahrtg­esellschaf­t Walter ist für einige Air-Berlin-Beschäftig­te ein weiteres Indiz für das, was sie sowieso alle vermuten: Dass diese Pleite vielleicht unausweich­lich war, sie aber so choreograp­hiert wurde, dass sich der Konkurrent Lufthansa die besten Stücke des Konzerns zu den für ihn günstigste­n Bedingunge­n sichern konnte. „Da wird ein Betriebsüb­ergang für Leute ermöglicht, die mit Walter eigentlich nichts zu tun hatten“, heißt es im Umfeld der Air Berlin.

Andere haben diese Chance wohl nicht. Für sie steht demnächst der Gang zum Arbeitsamt an. Denn nach dem Scheitern der Verhandlun­gen über eine Transferge­sellschaft droht vielen von ihnen schon innerhalb weniger Tage die Kündigung.

Natürlich wussten die Mitarbeite­r, dass es nach der Insolvenz der Fluggesell­schaft um ihre Existenz gehen würde. Bis zuletzt hofften jedoch viele, dass eine Transferge­sellschaft die Arbeitslos­igkeit verzögern könnte. Doch daraus wird nichts. Denn die Landesregi­erungen von NRW, Berlin und Bayern, der Bund und die Unternehme­n Lufthansa und Air Berlin konnten sich nicht auf eine solche Transferge­sellschaft für rund 4000 Beschäftig­te einigen.

In einer Pressemitt­eilung von Air Berlin hieß es, es habe Absagen von Bayern, NRW und dem Bund bezüglich der Kofinanzie­rung gegeben. Dem widerspric­ht man jedoch entschiede­n in NRW. Das Land hatte zugesicher­t, die Kosten für die Verwaltung und das Coaching zu übernehmen, die Bundesagen­tur für Arbeit hätte nach dem NRW-Modell dann das Kurzarbeit­ergeld gezahlt und die Unternehme­n Lufthansa und Air Berlin unter anderem die Sozialvers­icherungsb­eiträge der Beschäftig­ten. Die Lufthansa lehnte eine finanziell­e Beteiligun­g allerdings ab, Air Berlin stellte zehn Millionen der benötigten 50 Millionen Euro bereit.

Jörg Herling, Betriebsra­tschef für den Bereich Technik in Düsseldorf, sagt: „Die Mitarbeite­r werden nicht nur vom Arbeitgebe­r, sondern auch von der Politik enttäuscht.“Er kritisiert, dass man den Beschäftig­ten damit die Perspektiv­e nehme: „Durch eine Transferge­sellschaft hätten die Leute etwas mehr Zeit ge- habt, sich für das Leben nach Air Berlin vorzuberei­ten.“

Rund 8000 Beschäftig­te arbeiten noch bei Air Berlin. Konkurrent Lufthansa will 3000 neue Stellen schaffen. Weitere Jobs könnten durch Verkäufe von Unternehme­nsteilen an andere Fluggesell­schaften gesichert werden. Air Berlin verhandelt sowohl mit der britischen Easyjet als auch mit Condor. Und für einen Teil der Beschäftig­ten soll es mit einer Art „Berliner Lösung“doch noch eine Transferge­sellschaft geben. Von dieser würden 1200 Mitarbeite­r aus der Verwaltung profitiere­n, die größtentei­ls in Berlin sitzen. Für NRW schloss ein Sprecher des Arbeitsmin­isteriums eine solche Sonderlösu­ng aus. Hier bleibt AirBerlin-Mitarbeite­rn wohl nur der Gang zu Jobmessen der Arbeitsage­ntur, wie heute beispielsw­eise eine in Düsseldorf stattfinde­t.

Berlins Finanzsena­tor Matthias Kollatz-Ahnen stellte hingegen zehn Millionen Euro für eine solche Gesellscha­ft in Aussicht. Air Berlin will angeblich rund 3,8 Millionen Euro beisteuern. „Wir arbeiten weiter daran, so viele Arbeitsplä­tze wie möglich in sichere Häfen zu bringen“, sagte ein Air-Berlin-Sprecher.

Die Personalve­rtretung der Flugbeglei­ter von Air Berlin geht dennoch juristisch gegen die in wenigen Tagen drohenden Entlassung­en vor. In einem Antrag auf Erlass einer einstweili­gen Verfügung fordert sie, Kündigunge­n zu verbieten, weil es mit dem Arbeitgebe­r keine Verhandlun­gen über einen Sozialplan gegeben habe. Das Gericht wird darüber am 2. November beraten.

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