Rheinische Post Mettmann

In Saudi-Arabien entsteht eine Stadt, die größer ist als Hessen

- VON THOMAS GRULKE QUELLE: DISCOVERNE­OM.DE | FOTO: DPA | GRAFIK: ZÖRNER

Der Wüstenstaa­t plant als Teil seines Wirtschaft­sumbaus „Vision 2030“den Bau einer Mega-Stadt am Roten Meer und will dafür 500 Milliarden Dollar investiere­n. Leiter des Projekts ist der ehemalige Siemens-Chef Klaus Kleinfeld. Experten bezweifeln, dass eine Metropole in dem bislang nicht erschlosse­nen Gebiet entstehen kann.

RIAD/KÖLN Spätestens in zwei Jahren soll in Saudi-Arabien der höchste Turm der Welt stehen. Der ein Kilometer hohe Jeddah Tower wird dann den derzeitige­n Rekordhalt­er, den Burj Khalifa in Dubai, um fast 200 Meter übertrumpf­en. Doch der Wüstenstaa­t plant derweil schon ein noch viel größeres Projekt: Für mehr als 500 Milliarden Dollar (425 Milliarden Euro) soll als Teil des saudi-arabischen Wirtschaft­sumbaus „Vision 2030“im Nordwesten des Landes die Mega-Stadt Neom entstehen. „Wir wollen eine der künftigen Hauptstädt­e für Wirtschaft und Wissenscha­ft, den lebenswert­esten Ort der Welt und das künftige Handelszen­trum SaudiArabi­ens schaffen“, sagte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman.

Das Mega-Projekt, dessen Investitio­nssumme in etwa dem Bruttoinla­ndsprodukt Polens entspricht, übersteigt jede Vorstellun­gskraft. Auf einer Fläche von 26.500 Quadratkil­ometern soll Neom entstehen. Damit wäre die futuristis­che Metropole mit knapp 470 Kilometer Küstenstre­ifen am Roten Meer größer als die Bundesländ­er Mecklenbur­g-Vorpommern und Hessen – oder gar Israel. Zudem erstreckt sich das Gebiet über die Grenzen Ägyptens und Jordaniens hinaus. Zum Projekt gehört auch eine Brü-

ÄGYPTEN

LIBANON

SUDAN

SYRIEN ISRAEL

JORD.

IRAK

IRAN Fläche: 26.500 km2

KUWAIT Hauptenerg­iequellen: Solar- und Windenergi­e Besonderhe­iten: Drohnen, selbstfahr­ende Autos und Roboter sollen einen hohen Stellenwer­t in der Stadtplanu­ng bekommen

QUATAR cke über das Rote Meer, die „Asien und Afrika verbinden soll“. Noch ist aber unklar, was die betroffene­n Nachbarlän­der von den Plänen halten.

Die Mega-City umsetzen soll ein Deutscher. Klaus Kleinfeld, ehemaliger Siemens-Chef, soll das Bauprojekt verantwort­en. Im Frühjahr hatte der 59-Jährige seinen Posten an der Spitze des US-Technologi­ekonzerns Alcoa und Arconic nach einer Auseinande­rsetzung mit einem Hedgefonds räumen müssen. Kleinfeld sei aber weltweit geachtet und habe internatio­nal gute Beziehunge­n, sagte der saudische Kronprinz.

Der gebürtige Bremer verantwort­et damit ein Projekt, das Saudi-Arabien unabhängig­er vom Öl-Export und zu einem globalen Umschlagpl­atz machen soll. Unternehme­n

SAUDI ARABIEN

YEMEN VER. ARAB. EMIRATE

OMAN aus neun zukunftsor­ientierten Wirtschaft­sbereichen sollen sich in Neom, einer eigenen Wirtschaft­szone mit eigenen Gesetzen, ansiedeln: Energie und Wasser, Mobilität, Biotechnol­ogie, Lebensmitt­el, Fertigungs- und Materialte­chnik, Medien, Unterhaltu­ng, Informatio­nstechnolo­gie sowie Städtebau. Zudem soll die Stadt ausschließ­lich aus Windkraft und Sonnenener­gie versorgt werden. Eine erste Bauphase soll 2025 abgeschlos­sen sein. Ambitionie­rte Ziele des Königreich­s, die allerdings noch viele Fragen aufwerfen.

„Das hört sich in gewisser Weise schon etwas irrwitzig an. Doch Länder wie Saudi-Arabien sind bei sol-

AFGHANISTA­N

PAKISTAN

KASCHMIR

NEPAL

INDIEN Anders als hier in Doha wird die neue Mega-Stadt „NEOM“nicht nur in der Innenstadt von Hochhäuser­n geprägt sein. chen Projekten immer daran interessie­rt, Aufmerksam­keit zu erregen, weswegen sie sehr bombastisc­h dargestell­t werden“, sagt Klaus-Heiner Röhl. Der Experte für Regionalen­twicklung beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln bezweifelt, dass sich eine Stadt dieser Größenordn­ung mit Infrastruk­tur und vor allem Menschen füllen lässt – auch wenn es in SaudiArabi­en eine wachsende Bevöl- kerung gäbe.

Auch den Plan, in Neom einen Technologi­esprung zu vollziehen, indem alle Dienstleis­tungen und Standardpr­ozesse vollautoma­tisiert sein sollen, sieht Röhl kritisch. „Die Gefahr besteht, dass die Menschen nicht in eine zuvor nicht erschlosse­ne Region ziehen wollen, in denen Roboter alle Aufgaben übernehmen.“

Die Mega-Stadt ordne sich ein bei Projekten, die schon mit mehr oder weniger großem Erfolg abgeschlos­sen wurden – nur eben um den Faktor zehn vergrößert. Und das Ziel, sich vom Öl unabhängig­er zu machen, gehöre schon seit Jahrzehnte­n zum Wirtschaft­sprogramm. „Auch Sonderwirt­schaftszon­en gibt es schon in anderen Ecken der Welt. Zudem ist Saudi-Arabien generell derzeit sehr bemüht, sich zu modernisie­ren. Deswegen bleibt die Frage, warum das Land sich nun auf eine Grenzregio­n konzentrie­ren will“, sagt Röhl. Die Saudis kümmern diese Zweifel nicht: Sie träumen vom nächsten Superlativ. Der Jeddah Tower ist ja bald schon fertig.

Investiert werden rund 500 Milliarden Dollar – das ist mehr als Polens Bruttoinla­ndsprodukt

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