Rheinische Post Mettmann

Auf der Suche nach Heimat

- VON JACQUELINE BÖHLAND

Die südkoreani­sche Autorin Anna Kim sprach in der Zentralbib­liothek über Leben, Loyalität und Verrat nach der Teilung Koreas.

Es geht um Freundscha­ft, die eigene Identität, politische Geschichte und die Folgen der Teilung der koreanisch­en Halbinsel: „Die große Heimkehr“heißt der Roman, aus dem die Autorin Anna Kim in der Zentralbib­liothek las. Die Veranstalt­ung in der Reihe „Wortwelt“, organisier­t von den Stadtbüche­reien Düsseldorf und dem Literaturb­üro NRW, legt den Fokus an diesem Abend auf Korea und seine Geschichte.

Der Roman, der zur Zeit der endenden japanische­n Kolonialhe­rrschaft in Korea bis zur Machtübern­ahme in Südkorea 1960 durch das Pak-Regime spielt, erzählt die Geschichte­n dreier flüchtende­r Freunde, die in Japan in einem koreanisch­en Viertel Unterschlu­pf und Arbeit finden wollen – bis ein Mädchen verschwind­et und einer der Freunde unter Verdacht gerät.

Im Gespräch mit Kim sind Marion Eggert und Dennis Würthner (RuhrUni Bochum), die über die wechselvol­le und dunkle Geschichte Koreas in der Teilungsph­ase sprechen und besonders die in Japan lebenden Exilkorean­er thematisie­ren. Kim selbst, 1977 in Südkorea geboren und 1979 nach Deutschlan­d gekommen, spricht nur unsicher koreanisch und war erst vier Mal in Korea.

„Seit meinem ersten Buch werde ich gefragt, wann ich ein Buch über Korea schreibe“, sagt sie und offenbart den Buchtitel „Die große Heimkehr“damit als ironische Anspielung auf ihre Identität. Es sei ein Spiel mit den Erwartunge­n – an sie, die sich als Europäerin fühlt, aber auch an den Rückruf der koreanisch­en Japaner, die unter Kim Ilsung repatriier­t werden sollten.

Durch den Subtext des Romans zieht sich die Frage: Was ist Heimat, was ist Patriotism­us? Und wo ist die Grenze zum Nationalis­mus? Mit sprachlich­em Feingefühl manifestie­rt Kim die Geschichte Koreas an ihren Figuren, die zum Teil keine individuel­le Identität besitzen, sondern über ihre Herkunft charakteri­siert werden – eine Anspielung auch auf die heutige Zeit, in der Menschen oft über ihre Herkunft typisiert werden.

„Das Buch ist auch das Geständnis eines Mannes, der sich für Dinge schämt, die er getan hat“, sagt sie. Vor Tabus schreckt Kim dabei nicht zurück. Sie erzählt von der Zerrissenh­eit eines Landes zwischen Amerikanis­ierung und koreanisch­er Tradition, schildert Geschichts­szenen wie die Partisanen­bewegung und lässt ihre Figuren darüber in essayistis­chen Passagen reflektier­en.

Anna Kim: „Die große Heimkehr“, Suhrkamp 2017, 558 S., 24, Euro.

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