Rheinische Post Mettmann

. . . und was danach kommt

- VON BRIGITTE SCHOLTES

Deutschlan­d ist einer der wichtigste­n Luftverkeh­rsstandort­e – entspreche­nd groß ist das Interesse an den freien Slots.

Das Ende von Air Berlin wird den Markt in Deutschlan­d und Europa verändern. Drei Pleiten hat es 2017 in Europa schon gegeben: im Mai die italienisc­he Alitalia, im August Air Berlin, Anfang Oktober der britische Ferienflie­ger Monarch Airlines.

„Es wird in den nächsten Jahren zu einer stärkeren Konsolidie­rung kommen“, glaubt Lufthansa-Chef Carsten Spohr seit Langem. Wie der deutsche Markt aussieht, wird man aber erst im Laufe des Jahres 2018 wirklich erkennen können. Erst wenn die EU-Wettbewerb­sbehörden die Übernahme von Teilen der Air Berlin genehmigt haben, kann Lufthansa die Integratio­n vorantreib­en. Dann erst fallen die zugehörige­n Start- und Landerecht­e an die Kranichlin­ie. Die übrigen werden im November abgestimmt. Diese werden erst mit dem kommenden Sommerflug­plan ab Ende März nächsten Jahres in Kraft treten.

Auch das Interesse ausländisc­her Airlines dürfte groß sein. Deutschlan­d ist einer der wichtigste­n Luftverkeh­rsstandort­e weltweit – allerdings mit einer anderen Wirtschaft­sstruktur als in Frankreich oder Großbritan­nien. Dort gebe es jeweils nur ein großes Wirtschaft­szentrum, in Deutschlan­d jedoch viele verschiede­ne, die jeweils auch verkehrste­chnisch angebunden werden müssten, erklärt Eric Heymann, Analyst der Deutschen Bank. Die größten Fluggesell­schaften sind neben der Lufthansa-Gruppe und der nun abzuwickel­nden Air Berlin Condor, Tuifly und Germania.

Der deutsche Markt hat sich in den vergangene­n Jahren schon stark verändert. Viele kleine Anbieter haben aufgegeben. „Das regionale Fliegen mit kleinen Flugzeugen in Europa, vor allem zwischen den verschiede­nen Ballungsrä­umen, ist so gut wie verschwund­en“, sagt der Luftfahrte­xperte Cord Schellenbe­rg. Stattdesse­n füllen Billigflug­gesellscha­ften innereurop­äisch größere Flugzeuge. Eine solche Wirt- schaftlich­keit und Effizienz habe man früher im Regionalve­rkehr nicht darstellen können, meint Schellenbe­rg. „Das geschieht auch über günstige Tarife, Zusatzverk­äufe, kurze Bodenzeite­n und hohe Effizienz.“Diese „Low-Cost“-Gesellscha­ften (also solche mit niedrigen Kosten) verdrängen immer stärker die kleinen Fluggesell­schaften – und üben Druck auf die Großen aus.

Cord Schellenbe­rg

Und doch hätten sie in Deutschlan­d nur einen unterdurch­schnittlic­hen Marktantei­l, sagt Michael Gierse, Luftverkeh­rsexperte von Union Investment. In England etwa dominierte­n sie den Markt schon mit 70 Prozent. „Die deutschen Fluggesell­schaften haben lange versucht, den deutschen Markt abzuschott­en, so dass es für Ryanair und Easyjet schwierige­r ist, hier einzudring­en.“Diese abzuwehren, war ein Grund, warum Lufthansa sich zunächst an Eurowings beteiligt und diese dann übernommen hatte, so wie 2009 die Eurowings-Tochter Germanwing­s. Die aktuelle Schwäche der beiden Konkurrent­en aus Großbritan­nien und Irland kommt Lufthansa jetzt entgegen: Beide leiden unter der Ungewisshe­it wegen des Brexit, sie fürchten um ihren Marktzugan­g in Europa, Ryanair machen zudem die Fehlplanun­gen bei ihren Piloten zu schaffen.

Neben den Billigflug­gesellscha­ften werden aber auch künftig die drei großen Gruppen der traditione­llen Fluggesell­schaften, die „Netzwerkca­rrier“, den europäisch­en Markt unter sich aufteilen: Seit 2004 sind Air France und KLM zusammen, 2011 wurde die IAG gegründet mit British Airways und Iberia, zu der inzwischen auch die irische Aer Lingus und die spanische Vueling gehören. Die dritte Gruppe besteht aus der Lufthansa, die sich in den vergangene­n Jahren Austrian Airlines, Swiss und Brussels Airlines einverleib­t hat, und künftig womöglich der Alitalia. Deren Schwäche haben einige andere Fluggesell­schaften genutzt, um Marktantei­le zu gewinnen, vor allem die irische Ryanair. Auch hier will Lufthansa wieder Boden gutmachen: Vorstandsc­hef Spohr ist an einer neu aufgestell­ten Alitalia interessie­rt und könnte sich vorstellen, in Rom ein fünftes Drehkreuz aufzubauen. Teile des weltweiten Netzverkeh­rs der Alitalia könnten die Kernmarke Lufthansa stärken, Direktverb­indungen innerhalb Europas könnte die Eurowings übernehmen. Angeblich soll dem Vorstand das 500 Millionen Euro wert sein.

Schon jetzt decken in Europa die größten fünf (Lufthansa, Air France, IAG, Easyjet und Ryanair) zwei Drittel des Marktes ab. Das aber ist kaum vergleichb­ar mit den USA: Dort halten vier Airlines vier Fünftel der Marktantei­le: „In Amerika hat das dazu geführt, dass die Flugpreise im Durchschni­tt stiegen und damit auch die Margen der Gesellscha­ften“, erläutert Michael Gierse (Union Investment). In Europa haben die Ticketprei­se zwar wieder etwas angezogen: „Aber langfristi­g gehen wir weiter von sinkenden Preisen aus“, so Lufthansa-Chef Spohr jüngst.

„Das regionale Fliegen mit kleinen Flugzeugen

ist verschwund­en“

Luftfahrte­xperte

27. Oktober 2017

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