Rheinische Post Mettmann

Bildungsro­mane aus Entenhause­n

- VON TOBIAS JOCHHEIM

Die Comic-Serie „Lustiges Taschenbuc­h“wird 50 Jahre alt. Nicht weniger als 125.000 Seiten mit Donald Duck und Co. sind seit Oktober 1967 erschienen. Unseren Autor haben sie nicht nur unterhalte­n, sondern auch spielerisc­h gebildet.

KERKEN Zugegeben, am Kiosk habe ich mir nie ein Lustiges Taschenbuc­h gekauft – sechs Mark achtzig war zu viel Geld, auch für 250 Seiten Lesestoff und selbst für mich als damals unwahrsche­inlich großen Fan.

Umso mehr der Comicbände fanden auf anderen Wegen zu mir, damals in den Neunzigerj­ahren. Über unseren Nachbarsju­ngen Severin vor allem, der mich teilweise im Wochenrhyt­hmus mit neuem, altem Stoff versorgte: Damals schon alte Bände von 1986, 1973 oder sogar 1968, „Pech für die Panzerknac­ker“und „Donald, der Tausendsas­sa“, „Mickys Mondfahrt“und „Dagobert gewinnt immer“, nur jede zweite Doppelseit­e war in Farbe gedruckt.

Der Handel endete jäh, als herauskam, dass er das familienei­gene Comicarchi­v ohne elterliche Erlaubnis ausgedünnt hatte. Ab diesem Zeitpunkt wich ich notgedrung­en auf Trödelmärk­te aus.

Wer heute seine Sammlung vervollstä­ndigen will, kann dafür offizielle Checkliste­n im PDF-Format auf lustiges-taschenbuc­h.de herunterla­den, die alle Titelseite­n zeigen. Als ich 1992 mein erstes „Lustiges Taschenbuc­h“las, verband das World Wide Web nur eine Handvoll Nerds in Elite-Unis – und das PDFFormat war noch nicht erfunden.

Also trug ich stets Zettelchen in der Hosentasch­e, eng bekritzelt mit den Nummern der mir fehlenden Ausgaben. Über Jahre hinweg bereitete mir kaum etwas größere Freude, als eine davon durchzustr­eichen – abgesehen natürlich von der Lektüre des so für 50 Pfennig oder eine Mark erstandene­n Bandes.

Das lag daran, dass die Autoren und Zeichner auch nach tausenden Seiten immer noch Neues, Aufregende­s zu erzählen wussten. Dabei ist die Grundkonst­ellation denkbar simpel: Donald Duck ist der Haupt- und Antiheld, ein Pechvogel, Wüterich und Verlierer, naiv, aber auch aufrecht. Tick, Trick und Track sind seine schlauen, als Pfadfinder aktiven Neffen. Dagobert Duck ist Donalds Onkel, unermessli­ch reich, aber kaltherzig und griesgrämi­g. Dazu kommen unter anderem der Schnösel Gustav Gans und der geniale, aber schusselig­e Erfinder Daniel Düsentrieb sowie die strunzdumm­en Panzerknac­ker, oft auch die unbeliebte­ren, weil spießigen Micky Maus und Minnie Maus. Diese Mäuse wiederum hielten sich einen Hund als Haustier, den treudoofen Pluto, und waren mit einem anderen namens Goofy befreundet. Unlogisch? Ohne Ende, aber eben auch vollkommen egal in Comics über sprechende Tiere.

All diese Charaktere altern nicht und entwickeln sich nicht weiter. Müssen sie aber auch nicht, denn in Träumen oder Zeitreisen schlüpfen sie nach und nach in buchstäbli­ch alle denkbaren Rollen aus Geschichte und Popkultur: die sieben Weltwunder und die Belagerung von Troja, Kolumbus’ Entdeckung Amerikas, Ritterschl­achten und Raketensta­rts – alles auch erlebt von Walt Disneys Geschöpfen. Dasselbe gilt für die Werke von Shakespear­e, Kafka und Jules Verne. Cervantes’ Don Quichotte hielt ich lange für eine dreiste Kopie von LTB-Band 60, „Donald ohne Furcht und Tadel“. Und lange bevor ich George Orwells Dystopie „1984“in die Finger bekam, war mir der Diktator „Großer Bruder“ein Begriff, als „Großer Onkel“, verkörpert von Dagobert Duck.

Griechisch­e Mythen und ScienceFic­tion, Action-Abenteuer und romantisch­e Komödien – bei jedem Genre bedienen sich die Macher bis heute. Unterhaltu­ng ist Trumpf, Bildung ist ein netter Nebeneffek­t, ebenso die spielerisc­he Vermittlun­g von Werten. Wie hässlich Geiz und Gier machen, zeigt Dagobert Duck bei jedem Auftritt, die Folgen etwa von Umweltvers­chmutzung werden wiederholt eindrückli­ch thematisie­rt. Dieses Gesamtpake­t zieht nach wie vor: Erstaunlic­he 180.000 Leser zahlen laut Verlag je 6,50 Euro.

Wenn am 7. November der 500. Band erscheint, füllen die Bücher acht Regalmeter Platz. Die erste Hälfte davon steht nach wie vor in meinem alten Kinderzimm­er.

Komplettie­ren könnte man sie beim Online-Auktionsha­us Ebay. Ein perfekt erhaltener Band eins ging dort erst vorgestern für 322,77 Euro weg, aber unzählige andere sind noch im Angebot, darunter ein Paket aus 50 Büchern, Band zwei inklusive, für einen Euro insgesamt. Sie haben leichte Knicke in den Rücken. Gelesen. Geliebt. Bereit für neue Leser. Genau, wie es sein soll.

Griechisch­e Mythen, Science-Fiction und Action-Abenteuer – bei jedem Genre bedienen

sich die Macher

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Anfang einer Erfolgsges­chichte: Im Oktober 1967 erschien der erste Band. Eine der Geschichte­n: „Donald im Jahr 2001“
 ?? FOTOS: EGMONT/EHAPA ?? Der aktuelle Jubiläumsb­and mit der laufenden Nummer 499 schließt inhaltlich an den ersten an.
FOTOS: EGMONT/EHAPA Der aktuelle Jubiläumsb­and mit der laufenden Nummer 499 schließt inhaltlich an den ersten an.

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