Rheinische Post Mettmann

Amazon will bis ins Wohnzimmer liefern

- VON FLORIAN RINKE

Der Online-Händler testet ein digitales Schloss, mit dem auch Paketboten die Wohnungstü­r der Kunden öffnen können.

DÜSSELDORF Der postkarten­große Zettel ist nervig – für alle Beteiligte­n: die Kunden, die auf ein Paket warten und stattdesse­n in ihrem Briefkaste­n die Nachricht finden, dass man sie leider nicht angetroffe­n hat. Die Paketboten, die jeden Tag an Haustüren klingeln müssen, nur um ihre Auslieferu­ngen dann doch wieder mitzunehme­n. Die OnlineHänd­ler, die ihre Kunden mit schnellen Liefervers­prechen locken – und sich immer wieder die Frage stellen, wie sie die Probleme auf dieser letzten Meile lösen können. Denn jedes vergeblich­e Klingeln kostet, weil der Paketbote Zeit verliert, in der er keine anderen Sendungen zustellen kann.

Der größte Online-Händler der westlichen Welt testet nun einen radikalen Ansatz: Geliefert wird bei Amazon nicht mehr bis zur Haustür, sondern dahinter. Wenn niemand zuhause ist, soll ein Bote des Online-Händlers eine mit einem digitalen Schloss versehene Tür einfach mit seinem Paketscann­er öffnen können, um die Ware dann hineinzust­ellen. Dass dabei alles mit rechten Dingen zugeht, soll eine vernetzte Kamera sicherstel­len, die die Haustür beobachtet.

Es ist nicht der erste Versuch, die Zustellung zu erleichter­n. Der Paketdiens­t Hermes testete zuletzt den Einsatz eines Paketrobot­ers auf der letzten Meile. Auch Drohnen kamen bei manchen schon zum Ein- satz. Andere, wie Hermes-Konkurrent DHL, bieten ihren Kunden an, die Waren in Packstatio­nen zu hinterlege­n, an denen sich die Kunden ihre Sendung dann abholen können. Auch mit Lieferunge­n zu Wunschzeit­en wird experiment­iert. Zusammen mit dem Autokonzer­n Volkswagen testen die Bonner zudem die Lieferung in den Kofferraum. Kunden können sich dabei in Berlin ihre Pakete in einen VW Polo zustellen lassen.

Der Idee liegt die gleiche These zugrunde wie Amazons Ansatz: Wenn die Leute ihr Paket unbedingt sofort haben wollen, sind sie auch bereit, dem Paketboten dafür Zutritt zu ihrem Privateige­ntum zu gewähren – wenn sie dem dahinterst­ehenden Unternehme­n vertrauen.

Für seine Tests in den USA verkauft Amazon ein Paket bestehend aus einer Kamera und einem digitalen Schloss für rund 250 Dollar – bislang allerdings nur an die Kunden des Abo-Dienstes Prime. Sie sind für das Unternehme­n besonders interessan­t. Nicht nur, weil sie bereit sind, eine jährliche Gebühr für die schnellere Lieferung und andere Extras zu bezahlen, sondern auch, weil sie im Schnitt deutlich mehr Geld bei dem Online-Händler ausgeben als ein „normaler“Kunde.

Um Bewohner, die eventuell doch zuhause sein könnten, nicht zu überrasche­n, werde der Bote vor Betreten der Wohnung anklopfen, betont Amazon. Erst dann werde auch die Kamera von Amazon aktiviert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany