Skirennläufer Neureuther fühlt sich in Form wie lange nicht
SÖLDEN (sid) Wenn Felix Neureuther heute nach Sölden fährt, schlagen zwei Herzen in seiner Brust. Da ist Vorfreude auf den Auftakt der Olympia-Saison mit dem Riesenslalom auf dem Rettenbachgletscher – aber da ist auch die am 14. Oktober geborene Matilda. Weil sein Töchterchen mit Mama Miriam Gössner zu Hause bleiben muss, plagt ihn das schlechte Gewissen. Es tue „weh“, sagte er, „ich denke darüber nach, ob ich das Richtige tue.“Matilda hat sein Leben verändert. „So eine Geburt, das ist Wahnsinn. Das ist ein Wunder“, sagt der beste deutsche Skirennfahrer, „es hat mich jetzt schon zu einem anderen Menschen gemacht.“Unumstößliche Maßstäbe haben sich verschoben. Er wolle „nicht verpassen, wenn mein Kind krabbeln lernt oder das erste Mal steht. Das ist mir wichtiger als Siege und Medaillen.“
Dabei ist Neureuthers Form vor dem Weltcup-Auftakt am Sonntag gut wie lange nicht. Der 33-Jährige traut sich bei den Winterspielen in Pyeongchang (9. bis 25. Februar) den ganz großen Wurf zu. „Es steckt definitiv noch in mir, dass ich Rennen gewinnen kann“, sagt er. Allerdings lässt sich Neureuther offen, ob er die weite Reise nach Südkorea überhaupt antritt. Jetzt, als Vater, stelle er sich mehr denn je die Frage, ob er einen Olympiastart angesichts der politischen Spannungen in Korea verantworten kann. „Ich fahre einen Slalom, und da fliegen Raketen über mich drüber“, sagt Neureuther. Olympia habe ohnehin seinen Charme verloren. Schuld sei das IOC und dessen Gigantismus.
Neureuther hat mit Olympia eine Rechnung offen. „Sotschi, das war schon bitter“, sagt er. In gigantischer Form sei er 2014 gewesen, in Russland aber war er nach einem Unfall auf dem Weg zum Flughafen geschwächt. Grundsätzlich müsse Neureuther aber „nichts mehr beweisen“, sagt DSV-Alpinchef Maier, „er ist eine Größe als Sportler und Mensch. Er besitzt für den gesamten alpinen Skisport eine wahnsinnige Strahlkraft“.
Die nutzt Neureuther für soziale Projekte und eine Stiftung, im Sommer gab er mit Bastian Schweinstei- ger ein Kinderbuch heraus und zeigte sein Können in einem Skifilm. Das Training hat nicht gelitten, mittels Zusatzeinheiten stabilisierte er den Rücken. Im Sommer sei Felix „noch nie so gut gefahren“, sagt Maier. Er fühle sich ganz gut, bestätigt Neureuther. Deshalb hat er die Idee, 2018 zurückzutreten, ad acta gelegt. Er genieße das Skifahren, sagt Neureuther, so bald wolle er trotz Matilda nicht davon lassen.