Rheinische Post Mettmann

Der Täter wird zum Kläger

- VON FABIAN NITSCHMANN

Im Arte-Film „Der Tod und das Mädchen“verklagt ein Mann nach einer Vergewalti­gung das Opfer.

MÜNCHEN (dpa) Gerechtigk­eit, Rache, Selbstjust­iz: Der Arte-Film „Der Tod und das Mädchen“steckt voller starker Gefühle und Tragik. Ausgangspu­nkt ist eine verjährte Vergewalti­gung, die nach Jahrzehnte­n zwei Familien ins Chaos stürzt.

Eine Vergewalti­gung kann in Deutschlan­d verjähren. Was Recht ist, empfinden nicht alle auch als gerecht. Schon gar nicht, wenn das Opfer Jahrzehnte nach der Tat selbst auf der Anklageban­k sitzt – verklagt vom damaligen Täter. Genau vor dieses Szenario stellt der Arte-Film „Der Tod und das Mädchen“die Fernsehzus­chauer. Ein intensives Werk, das nicht nur wegen des moralische­n Dilemmas in Erinnerung bleibt.

Denn von Beginn an wird klar: Vicky (Katharina Lorenz, 38, „Der TelAviv-Krimi“) leidet. Vor 30 Jahren wurde die damals Neunjährig­e von ihrem Nachbarn vergewalti­gt – und 30 Jahre lang traute sie sich nicht, den Namen des Täters zu nennen. Dank neuester DNA-Technik hält Ermittler Bruno van Leeuwen (Peter Haber, 64, „Verblendun­g“) nun den Beweis in den Händen. Der Täter wird festgenomm­en. Von Beginn an ist aber auch klar: Der Täter, Piet Martens (Bruno Cathomas, 52, „Wolfsfährt­e“), kann nicht mehr bestraft werden. Die Vergewalti­gung ist verjährt. Dass Vicky ihrem Peiniger bei einem zufälligen Treffen im Polizeirev­ier eine Glasflasch­e über den Kopf zieht, ist dagegen ganz aktuell – und landet vor Gericht. Das Opfer wird zum Täter, bekommt sechs Monate auf Bewährung und muss ertragen, wie ihr gesamter Fall erneut aufgerollt wird. Allein diese moralische Debatte hätte wohl einen Spielfilm füllen können. Doch der Spielfilm verliert an dieser Stelle nicht viel Zeit. Es folgt der nächste, nicht weniger spannende Konflikt: Denn für die beiden befreundet­en Familien bleibt in dem Film von Grimme-Preisträge­r Hans Steinbichl­er (Regie) und Drehbuchau­torin Nicole Armbruster nichts, wie es mal war.

Der Film ist ergreifend und mitreißend, weil die Ausgangssi­tuation so einfach und gleichzeit­ig brutal ist. Die Botschaft der Macher scheint dabei klar zu sein: Gefühle verjähren nicht.

 ?? FOTO: JO VOETS ?? Kommissar Van Leeuwen (l., Peter Haber) und die Eltern von Vergewalti­gungsopfer Vicky (Barbara Auer und Jörg Schüttauf) warten im Gerichtssa­al auf die Entscheidu­ng des Richters.
FOTO: JO VOETS Kommissar Van Leeuwen (l., Peter Haber) und die Eltern von Vergewalti­gungsopfer Vicky (Barbara Auer und Jörg Schüttauf) warten im Gerichtssa­al auf die Entscheidu­ng des Richters.

Newspapers in German

Newspapers from Germany