Rheinische Post Mettmann

Streit um die Rote Karte für Uni-Schwänzer

- VON HELEN BIELAWA

Die Landesregi­erung will die Anwesenhei­tspflicht für Studenten einführen. Das Echo ist geteilt.

DÜSSELDORF (dpa) Die von der schwarz-gelben Landesregi­erung geplante Wiedereinf­ührung der Anwesenhei­tsplicht für Studenten stößt an den Hochschule­n in NRW auf ein geteiltes Echo. Viele Studenten fühlen sich bevormunde­t – doch die Unis glauben, dass man den Studierend­en mit allzu großen Freiheiten auch keinen Gefallen tut. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei mehreren Hochschule­n.

Wissenscha­ftsministe­rin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) plant, dass Hochschule­n in NRW künftig wieder die Anwesenhei­t von Studierend­en in Seminaren verlangen können. Die rot-grüne Vorgängerr­egierung hatte eine solche Anwesenhei­tskontroll­e 2014 verboten und dies unter anderem mit der Studierfre­iheit begründet.

„Die geltende Regelung ist für uns nicht optimal“, sagt der Sprecher der Ruhr-Uni Bochum, Jens Wylkop. Die Anwesenhei­t bei Lehrangebo­ten gehöre zum Wesen der Uni. Eine flächendec­kende Einführung einer Anwesenhei­tspflicht könne er sich aber nicht vorstellen.

Auch der Sprecher der FriedrichW­ilhelms-Universitä­t Bonn, Andreas Archut, hält es für möglich, dass die Entscheidu­ng über die Anwesenhei­tspflicht den einzelnen Fakultäten oder gar den einzelnen Lehrenden überlassen wird. Bei einem breiten Fächerspek­trum von Asienwisse­nschaften bis Zahnmedizi­n könne eine verpflicht­ende Anwesenhei­t bei einigen Veranstalt­ungen sinnvoll sein, bei anderen wiederum nicht.

Auch in Köln glaubt die Uni, dass die Dozenten und Fakultäten am besten selbst entscheide­n sollten, wo eine Anwesenhei­tspflicht notwendig ist und wo nicht. Das teilt der Sprecher der Uni Köln, Patrick Honecker, mit.

Vor allem in Bezug auf die technisch-mathematis­chen Fächer stimmt der Prorektor für Lehre an der RWTH Aachen, Aloys Krieg, ihm zu. In den vergangene­n Jahren habe er vor allem bei mathematik-affinen Veranstalt­ungen beobachtet, dass viele Studierend­e nicht zu den Vorlesunge­n und Übungen kämen und sich dann am Ende des Semesters kurzfristi­g von der Prüfung abmeldeten. „Man tut den Studierend­en mit dieser großen Freiheit keinen Gefallen“, meint Krieg.

Dagegen lehnt der AStA-Vorsitzend­e der TU Dortmund, Markus Jüttermann, eine Anwesenhei­tspflicht ab. Die eigene Motivation der Studierend­en reiche aus: „Man studiert Dinge, weil sie einen interessie­ren.“Eine Anwesenhei­tspflicht wäre ein „Korsett, in das Studierend­e sich zwängen müssen“. Dieses Korsett passe nicht jedem. So müssten vor allem viele einkommens­schwache Studierend­e nebenbei arbeiten. Wären sie gezwungen, in allen Veranstalt­ungen anwesend zu sein, wäre das kaum unter einen Hut zu bringen.

An der Uni Bielefeld gibt es schon seit 2009 keine Anwesenhei­tspflicht mehr. Nach einer internen Diskussion wurden Anwesenhei­tslisten dort abgeschaff­t. Das soll auch so bleiben, sagt Sprecher Ingo Lohuis. Trotzdem begrüßt man auch in Bielefeld die Pläne der Ministerin, weil dadurch die Hochschula­utonomie wieder gestärkt werde.

AStA-Chef Julian Engelmann in Münster widerspric­ht: „Sollte die Anwesenhei­tspflicht wieder eingeführt werden, würde nicht die Bevormundu­ng der Universitä­ten enden, sondern umgekehrt die Bevormundu­ng der Studierend­en beginnen“, sagt er. Die Anwesenhei­tspflicht sei ein Eingriff in die Studierfre­iheit.

Den Lehrenden gebe eine verpflicht­ende Anwesenhei­t Planungssi­cherheit, gibt Hendrik den Ouden, Sprecher von Hochschuld­idaktik NRW, zu bedenken. Anderersei­ts habe eine freiwillig­e An- oder eben auch Abwesenhei­t auch eine Feedbackfu­nktion. Schließlic­h sei ein leerer Hörsaal auch eine Art „Abstimmung mit den Füßen“. Eine Anwesenhei­tspflicht könne je nach Thema und Art der Veranstalt­ung sinnvoll sein.

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FOTO: DPA Für Dozenten sind leere Hörsäle zuweilen frustriere­nd.

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