Rheinische Post Mettmann

Die Poesie der Zwischenrä­ume

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Der stadtbekan­nte Flaneur Markus Luigs versammelt in seinem Fotobuch ungewöhnli­che Ansichten von Düsseldorf.

Vielleicht kann man dieses Buch als Zeitkapsel bezeichnen. Als einen Behälter, der Ansichten, Eindrücke und Atmosphäre­n konservier­t und in die Zukunft rettet. In den Grundstein eines neuen Hauses werden solche Behältniss­e eingemauer­t, gleichsam als Flaschenpo­st für künftige Generation­en. Wer dereinst die Fotos von Markus Luigs findet und betrachtet, wird einen guten Eindruck davon bekommen, wie es sich anfühlte, in Düsseldorf zu leben.

Markus Luigs ist ein Flaneur. Ein Perlentauc­her. Und: ein Augenöffne­r. Er lehrt die Menschen, auch mal nach oben zu schauen, wenn sie durch die Straßen gehen. Er lehrt sie, den Blick nicht nur schweifen zu lassen, sondern hinzusehen – nur so lässt sich erkennen, dass diese Stadt ziemlich schön ist, sehr besonders und manchmal auch schräg. Luigs verhilft dem Unscheinba­ren zu seinem großen Auftritt.

Luigs nimmt sich jeden Tag 15 Minuten Zeit, um ein Stück Stadt abzuschrei­ten, meist in der Mittagspau­se. Dann verlässt er sein Designbüro an der Mülheimer Straße. Immer hat er seine Kamera dabei. Menschen tauchen auf seinen Fotografie­n selten auf, aber sie sind doch anwesend, weil sie Spuren hinterlass­en haben. Luigs ist interessie­rt an den Zwischenrä­umen, an den Lücken zwischen Körpern und Gebäuden. Sein Sujet ist das Flüchtige, man könnte auch sagen: das Aroma dieser Stadt. Er ist der Dokumentar­ist des Transit, und Düsseldorf mutet in seinen Arbeiten bisweilen exotisch an, aber durchaus deutsch. Sein Düsseldorf ist ein vergangenh­eitsselige­s Dorf, das an der urbanen Gegenwart teilhat.

Luigs ist stark an Strukturen interessie­rt, das sieht man seinen Fotos an. Er mag Linien, er mag das Klare. Er findet diese Ordnung überall, und das Schöne daran ist, dass die abwesenden Menschen diese Ordnung stets nur als Gerüst benutzen, das sie individuel­l verzieren. Der Rheinlände­r macht es sich halt gern gemütlich in der Sachlichke­it.

Insofern ist der Fotograf Markus Luigs auch Ethnologe. Die Ansichten, die er von seinen Spaziergän­gen durch die Stadt mitbringt, sind Zeitschrif­ten. Aneinander­gelegt ergeben sie eine Chronologi­e der verwehten Zeit. Insofern wirkt Luigs nicht so sehr als Stadtführe­r, sondern vielmehr als Stadt-Aufspürer.

Vielleicht werden sich die Menschen der Zukunft fragen, ob es damals in Düsseldorf echt so gewesen ist wie auf den Bildern von Markus Luigs. Und wenn man je die Gelegenhei­t dazu bekommen sollte, würde man den Menschen dann dieses zurufen: Ja, genauso fühlte sich diese Stadt an.

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FOTOS: LUIGS Das passt schon: Der Düsseldorf­er Flaneur Markus Luigs blickt auf die Stadt, hier ist es der Alltag der Pendler in der U 79.
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