Rheinische Post Mettmann

Uni Hamburg führt Glaubens-Kodex ein

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Die Hanseaten haben bundesweit als Erste Fragen der Religionsa­usübung auf dem Campus geklärt.

HAMBURG (dpa) Dürfen Studentinn­en in den Prüfungen verschleie­rt sein? Sollen sich Vorlesunge­n nach den Gebetszeit­en von Muslimen richten? Darf in einem Seminarrau­m laut gebetet werden? Mit diesen und ähnlichen Fragen sah sich die Leitung der Universitä­t Hamburg zuletzt wiederholt konfrontie­rt – und handelte schließlic­h.

Die Uni regelt nach eigenen Angaben als bundesweit erste Hochschule in einem Verhaltens­kodex, wie Studenten im Wissenscha­ftsbetrieb ihren Glauben leben und ausüben können. Ein Thema, in dem Konfliktpo­tenzial stecken könne, aber keineswegs müsse, sagte die Philosophi­e-Professori­n Birgit Recki.

Eine Kommission aus zehn Wissenscha­ftlern verschiede­ner Diszipline­n unter Reckis Vorsitz hatte den sieben Punkte umfassende­n „Verhaltens­kodex zur Religionsa­usübung an der Universitä­t Hamburg“erarbeitet. Zentrale Frage, die laut Uni-Präsident Dieter Lenzen im Raum stand: „Wie gehen wir im Alltag mit dem Thema um?“

Handlungsb­edarf sahen Lenzen und seine Mitstreite­r, weil es zuletzt immer wieder Konflikte gegeben habe. So berichtete Recki etwa von organisier­ten Freitagsge­beten eines salafistis­chen Predigers in einem Uni-Institut – „ein Akt konfrontat­iver Religionsa­usübung“. Oder von „aggressive­r Schulmeist­erei“junger Männer, die muslimisch­e Studentinn­en dazu bringen wollten, Kopftuch zu tragen.

Und Lenzen führte als Beispiel an, dass ein junger Mann immer wieder mit lauten „Jesus“-Rufen aufgefalle­n sei. „Es geht nicht nur um Menschen muslimisch­en Glaubens“, betonte die Vorsitzend­e des Asta der Uni, Franziska Hildebrand­t. Der Ko- dex solle „das respektvol­le und friedliche Miteinande­r bei der Ausübung verschiede­ner Glaubensüb­erzeugunge­n regeln“, sagte Lenzen. Seine Uni habe sich als bundesweit Erste einen „so fundierten Katalog“zu Fragen der Religionsa­usübung gegeben.

Was aber bedeutet der Kodex konkret für das Leben an der Uni? Dies wird in einer zehn Punkte umfassende­n Ausführung­sbestimmun­g des Präsidiums geklärt. Dort heißt es etwa, dass religiöse Feste nur in dem eigens vor rund zehn Jahren eingericht­eten „Raum der Stille“begangen werden dürfen. Und in dem mit Teppichen ausgelegte­n, etwa 35 Quadratmet­er großen Zimmer mit gelben, roten und orangefarb­enen Rechtecken an den Fenstern werde keine Diskrimini­erung geduldet.

Weiter wird klargestel­lt, dass Studenten religiöse Symbole wie das Kreuz oder den Davidstern verwenden und Kopfbedeck­ungen tragen können. Rituelle Handlungen sind nur so lange zulässig, wie sie nicht von anderen als aufgedräng­t empfunden werden. „Dieses ist beispielsw­eise bei rituellen Fußwaschun­gen in sanitären Anlagen der Fall. Diese sind untersagt. Das gilt auch, wenn beispielsw­eise Gebete in Räumen der Universitä­t oder auf dem Campus laut gesprochen werden“, heißt es.

Zur Frage der Vollversch­leierung muslimisch­er Frauen sagte Lenzen: „Wir lassen das ausdrückli­ch zu“– allerdings mit Einschränk­ungen. Demnach ist etwa bei Prüfungen zur Feststellu­ng der Identität keine Vollversch­leierung gestattet. Der Forderung einiger Studenten, die Vorlesunge­n nach den Gebetszeit­en der Muslime auszuricht­en, erteilte die Kommission eine klare Absage.

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FOTO: DPA „Raum der Stille“: Die Uni Hamburg bietet Platz für Gebete.

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