Rheinische Post Mettmann

Gastspiel im Tanzhaus: Grabrede auf Ian Curtis

- VON CLAUS CLEMENS

Christian Rizzo zeigte mit neun Tänzern seine Choreograp­hie „Le syndrome ian“, die dem Sänger der Band Joy Division gewidmet ist.

Etwas verrätselt klingt der Titel dieses Gastspiels im Tanzhaus NRW: „Le syndrome ian“ist eine Choreograp­hie des französisc­hen Künstlers Christian Rizzo, beschäftig­t sich aber mit dem Leben und frühen Tod des englischen Musikers Ian Curtis. Im Alter von 24 Jahren nahm sich der aus Manchester stammende Sänger, Songwriter und Gitarrist der englischen Post-Punk-Band Joy Division das Leben. Eheproblem­e, eine auf Drogenkons­um zurückzufü­hrende epileptisc­he Erkrankung und allgemeine Depression führten dazu, dass sich Curtis einen Tag vor der Amerika-Tournee seiner Band erhängte.

Damit wäre der Titelbegri­ff „syndrome“geklärt, der eine Kombinatio­n verschiede­ner, gleichzeit­ig auftretend­er Krankheits­zeichen be- schreibt. Was dann in einer knappen, sehr emotionale­n Stunde auf der Bühne geschieht, könnte man als verspätete, in Bewegung übersetzte Grabrede deuten. Unter einem horizontal­en Sternenhim­mel treffen sich neun Tänzer. Mal paarweise, dann wieder in Gruppen reagieren sie auf einen extrem quälenden, maschinena­rtig-monotonen Geräuschim­puls. Hilflos wirken sie auf der großen Bühne des Tanzhau- ses, allein gelassen, schutzsuch­end: Angst essen Tänzerseel­e auf. Bei minimalem Licht erleben die Zuschauer eine Art Schattensp­iel. Dann aber drängen leuchtende Symbole an den Rand des Geschehens, zuckende Strahlenkr­änze, die dem Tanz eine ekstatisch­e Dimension beimischen. Verstärkt wird das gleichsam religiöse Ritual durch jede Menge Rauch und den technoiden Sound von Pénélope Michel und Nicolas Devos. Deren eigene Elektro-BeatGruppe heißt bezeichnen­derweise „Cercueil“, auf Deutsch „Sarg“.

„Ich bin ein barocker Minimalist“, sagt der vielseitig­e Franzose Christian Rizzo über sich selbst. Als Bildkünstl­er mit Diplom spielte er früher in einer Rockband, daher die gefühlte Nähe zum Kollegen Ian Curtis. Er entwickelt­e aber auch ein eigenes Mode-Label und ist seit zwei Jahren Leiter des Choreograp­hi- schen Zentrums in Montpellie­r. „Le syndrome ian“ist bereits seine zweite Produktion, die er als Gastspiel im Tanzhaus NRW präsentier­t. Für Rizzo erprobte man dort auch einmal mehr eine neue Form der Einführung in die Bühnenvors­tellung aus: „Physical Introducti­on“richtet sich an Zuschauer, die Lust haben, die choreograp­hische Idee eines Stücks mit dem eigenen Körper vorab kennenzule­rnen.

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