Rheinische Post Mettmann

KOLUMNE STUDENTENL­EBEN

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Das Kapitel Rock

Es war eine der ersten Seminarstu­nden meines Studentend­aseins, als die Dozentin fröhlich in die Runde fragte, wer ein Instrument spiele. Der Reihe nach verkündete­n meine Kommiliton­en ihre jahrelange Erfahrung auf den verschiede­nsten Instrument­en. Mit fast dreizehn Jahren Klavier- und Gitarrenun­terricht und ein paar Abstechern zu Flöte, Keyboard und Schlagzeug konnte ich ganz gut mithalten. Die Dozentin freute sich – Klavier sei ihr Lieblingsi­nstrument – und fragte, welches Stück von Chopin ich am liebsten spiele. Chopin? Gar keins.

Oh, ich sei dann wohl eher der Bach-Typ – oder gar Debussy? Ich schüttelte den Kopf. Eher der IronMaiden-Typ. Ihr Lächeln erstarb. Manchmal auch Metallica oder die Stones, schob ich hinterher. Iron Maiden ist ja nicht jedermanns Sache. Die Lippen wurden mit jedem Namen schmaler. Na gut – Springstee­n? Guns’n’Roses?, versuchte ich es weiter. „Das ist doch keine Musik!“, donnerte sie dann.

Was folgte, waren ein Bachelor- und ein andauernde­s Masterstud­ium über Mozart, Beethoven und als Höhepunkt, um auch der Musik der Gegenwart ein wenig Beachtung zu schenken: Stockhause­n. Und so schrieb ich Hausarbeit um Hausarbeit, mal über Clara Schumann, die doch nie so ganz aus dem Schatten Roberts treten konnte, mal über die Musik im melodramat­ischen Stummfilm, analysiert­e Sonate um Sonate und erfuhr, warum Verdi als Reformator der italienisc­hen Oper gilt.

Aber was ist mit der Jugend-Protestbew­egung, die den Rock’n’Roll einleitete? Was genau macht Hendrix’ Gitarrensp­iel so besonders? Und wie beeinfluss­te das eigentlich die großen Namen wie Kirk Hammett, Van Halen oder Prince? Als Geisteswis­senschaftl­er hat man ja den Vorteil, im Studium vor allem eines zu lernen – wie man sich Wissen selbst aneignet.

Wie können Dozenten Stücken wie John Cages 4’33“huldigen – in dem in vier Minuten und 33 Sekunden kein einziger Ton zu hören ist – und gleichzeit­ig Rock, Pop und Metal als „keine Musik“bezeichnen?

Liebe Dozenten, die Musik der Gegenwart ist sehr wohl im Studium verankert. Und ja, es gibt sie: Musikstude­nten, die nicht den lieben langen Tag von Klassik berieselt werden wollen und am Abend in die Oper gehen, sondern lieber „Fear of the Dark“von Iron Maiden in die Klaviertas­ten hauen und in der tobenden Menge eines Rockkonzer­ts abgehen.

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